Protokoll: Phlipp Weichenrieder
Erstmals erschienen in Groove 150 (September/Oktober 2014)
Aggression und Frieden, Engel und Teufel – auf seinem neuen Album arbeitet sich Kevin Martin alias The Bug mit elektronischem Dub-Dancehall-Grime-Noise an Gegensätzen ab. Sechs Jahre sind seit seinem letzten Album vergangen, in denen der Produzent unter anderem von London nach Berlin gezogen ist. Dort würde er sich am liebsten in einen Laden für Modular-Synthesizer einschließen lassen. Vielleicht klappt es aber eher mit dem Traum, eine Jahreshälfte auf Teneriffa zu verbringen.
Das Beste, was ich in letzter Zeit gemacht habe war, auf dem Soundwave-Festival in Kroatien zu sein. Nach meinem Auftritt bin ich zum ersten Mal in meinem Leben mit einem Rennboot gefahren, zu einer After-Show-Party, wo ich mit Alexander Nut von Eglo Records, einem alten Freund von mir, eine Back-to-back-Reggae-Session spielte.
Einen Tag ohne Internet verbringe ich im Studio. Ich habe dort kein Internet, was wirklich gut ist. (lacht) Meine Tage sind voll damit, E-Mails zu schreiben. Ich habe keinen Manager, mache alles selbst, ich bin ein Kontrollfreak. Also ist es ein großes Plus, kein Internet im Studio zu haben. Es ist wie die Flucht in ein Einsiedler-Paradies.
Luxus für mich wäre, allein Zugang zu Schneiders Büro in Berlin zu bekommen und die Schlösser auszutauschen, während ich drin bin. Es ist der größte und beste Laden für Modular-Synthesizer in Europa. Die Module sind so gut, aber so teuer, dass ich neidisch werde, wenn ich dorthin gehe.
Ein Buch, das mich zuletzt beeindruckt hat, ist Hagakure. Ich bin durch den Film Ghost Dog von Jim Jarmusch darauf gestoßen. Im Buch geht es viel um Selbstdisziplin. Und es greift die Idee vom Leben als andauernde Kriegsführung und die Notwendigkeit eines Selbstverteidigungsmechanismus auf. Das empfinde ich als sehr wichtig, psychologisch und körperlich – zunehmend in einer Welt, wie sie heute ist.
Meine liebste TV-Serie zurzeit gibt es nicht, ich habe keinen Fernseher und schaue keine Serien. Aber ich bin verrückt nach Filmen. Ich bin sehr von der Arbeit von Trần Anh Hùng beeindruckt, dem Regisseur von Der Duft der grünen Papaya. Vor kurzem habe ich Cyclo von ihm gesehen, wo es um einen Rikscha-Fahrer geht. Der Film hat unglaublich brutale, aber auch wunderschöne Szenen, die sehr schnell nebeneinandergestellt werden.
Eine aktuelle musikalische Wiederentdeckung ist OM, deren Mitglieder Teil der Band Sleep waren. Ich habe sie vor kurzem in London als Vorband von Sunn O))) gehört und hatte bis dahin nie von ihnen gehört.
Eine Stadt, von der ich gerne einmal mehr als nur Flughafen, Hotel und Club sehen würde, ist Tokio. Jedes Mal, wenn ich in Japan bin, ist meine Reaktion anders. Das Land fordert mich heraus, weil es dort nie so ist, wie ich es erwarte. Ich freue mich darauf, bald wieder dort zu sein, um wieder etwas anderes Neues zu entdecken.
Ein Club, den jeder mal besuchen sollte, ist das Plastic People in London. Der Club war viele Jahre mein zweites Zuhause in London und hat einen besonderen Platz in meinem Herzen. Und es war der Ort, an dem ich London Zoo zum ersten Mal getestet habe.
Einen total skurrilen Gig hatte ich bei der Launch-Party meines Albums Pressure vor Jahren in Wien. Ich erinnere mich, dass Tikiman, der mein erster Live-MC war, es total super fand und ich völlig fassungslos war. (lacht) Zwei hübsche Lesben haben auf der Bühne rumgemacht, als wir spielten, während sich hinter mir zwei Menschen mit Drogen vollgepumpt haben. Der schiere Hedonismus des ganzen Spektakels war wirklich verrückt.
Mein Rezept gegen Kater ist nichts. Ich trinke nicht, nehme keine Drogen.
In meinem Kühlschrank findet man immer Avocado und Joghurt.
Ich bereue gar nichts. Ich habe viel Glück mit meinem Leben. Es ist genau so, wie ich es wollte. Jetzt ist es noch besser geworden, weil ich Vater bin. Ich bin sehr glücklich.
Meine größte Angst ist, die Miete nicht zahlen zu können.
Mein größter Traum ist es, eine Hälfte des Jahres in Berlin, die andere bei einem meiner besten Freunde auf Teneriffa zu verbringen. Vor zehn Jahren interessierten mich nur die vier Wände meines Studios oder eines Clubs. Wenn es keine Lautsprecher gab, gab es mich nicht. Ich habe nicht mal die Sonne wirklich wahrgenommen. Erst in den vergangenen Jahren habe ich entdeckt, dass es eine Welt außerhalb von Boxen gibt! (lacht)
Das Album Angels & Devils von The Bug ist Ende August bei Ninja Tune erschienen. Am 3. Oktober 2014 spielt Kevin Martin live mit den MCs Flowdan, Miss Red & Manga im Berliner Berghain. Ebenfalls auf dem Line-up: Dubstep-Pionier Mala.