Ein zerfasertes Opus Magnum. Wie aus dem Ärmel geschüttelt für alle, deren Klavierstunden auf der Glotzenfernbedienung stattfanden. Ein Stromschlag macht nicht unbedingt einen Afro, aber eine Motown-Song-Anleihe trotz Würdigung von Originalkoncontent:encodeden handhabbarer, und mir fällt kein anderer Oberbegriff für Angie Reeds Sammelsurium aus Produktivität ein als Punk. Punk in – irritierenderweise – vielen Facetten. Neben Motown gerät schnell viel anderes ins mythisch-erratische System: In Mutationen galoppierender Folk-Jazz mit dylaneskem Gesang, Asi-Punk mit „Skandal im Sperrbezirk“-Einflüssen, Trickster-Sci-Fi-Funk, Rockabillyelektronica, Songs von situationistischen lesbischen Nonnen mit karger Schrammelgitarrenbegleitung. In den Lyrics wird aus den Perspektiven vieler Charaktere ausgiebig fabuliert. Nichts ist sicher, nicht einmal Drexciya-Electro samt afrodiasporischer Kiemenmenschenstory. Die Konzeption dieses multpopimensionalen Trash-Musicals wirkt wie eine Reverenz an den Schriftsteller Pimp Darius James, obwohl sein Name nicht in den Credits auftaucht. Mario Mentrup hat fünf der 17 Stücke (mit)geschrieben und wie Eric D. Clark, Bernd Jestram, Niki Woernle, Patric Catani u.a. hier und da was gespielt, produziert, gesungen, was aber Reeds Mastermind-Status nicht gefährdet.