Das rohe, schlichte Sample, dieser eine magische Moment poppt wieder frivol und frech auf. Marc Mac lieferte gerade mit „How About A Chess Game“ auf ABB Records ein Album, das eher wie ein musikalisches Blackbook daherkommt und dennoch schlüssig und zwingend ist. Soulphiction zielt irgendwie in diese Richtung, obwohl statt HipHop und Drum’n’Bass hier die Paarung Soul und House heißt. So denkt man sich das beim ersten Hören. Und dann gehen plötzlich die Gewissheiten flöten. Alles anders. Und doch vertraut.
Michel Baumann (alias Jackmate, Manmadescience, Supatone) mit Discographie im Quadranten, Perlon-Freude-am-Tanzen-Playhouse-Dessous und dem eigenem Philpot-Label im Zentrum, erst HipHop-, dann House-geschult, seziert und moduliert die kleinen Bruchstückebiester, bis sie einen eigenen Dreh bekommen. Seine Schule spürt man sofort. Doch mehr als das. Hier deutet sich eine famose Stilistik an, die behend Distanz zu den vermeintlichen Vorbildern aus Motorcity in Übersee hält. Samples werden zu Jam-Ergebnissen. Fast knarzende Claps verführen schrullig. Knorkende Bassdrums helfen dem Schwung fremdartig. Obskure HipHop-Vokal-Quatsch-Samples verpeilen planmäßig die Pausen. Jazzparts werden von kickenden Geradlinigkeiten gezüchtigt. Rhodes, Pianos, und Kohorten bringen Träumereien unter die Leute. Simpelste Flanger und sonstwas für Effekte stutzen Tunes gerade. Vordergründige Stino-Atmos lassen Angst vor Esoterik-Nerv aufkommen, doch nix da. Alles bestens, alles sitzt, selbst ohne 3-Wetter-Taft. Suzana Roskozny versüßt all das bei passender Gelegenheit.
Das merkwürdig Große an dieser Platte ist, dass ein Album mit diesen Zutaten auch in den dicken Hosenboden hätte gehen können, gerade weil Leute wie Moodymann und Theo Parrish scheinbar den Nährboden bilden. Doch alles fügt sich eigen. Manchmal kommt der Eindruck auf – von allein. Das Album fließt flott und flauschig, störrische Momente sind weggefriemelt. Irgendwie scheint der Komponist der sagensozialisierten Devise „Einfachheit ist die Mutter der Porzellankiste“ zu folgen. Statt hier noch ein dicker Bass und da noch ein Glöckchen und wuchtig noch einen Wumms, nee. Einfachheit als neue Supersexyness. Das erhascht den Effekt der schwungvoll frischen Zugänglichkeit, verführt aber auch zu tieftauchenden Erkundungen in der Materie, zum Ohrenspitzen. Ergebnis dieser Übungen: Bestätigung des Urteils en detail. Michel Baumann hat das vermeintlich Falsche sowas von richtig gemacht, daß ihm die 2005er-Besserwisser-Oberchecker-King-of-Sweet-Euphoria-Krone gebührt. So tief gelegte Euphorie hat schon jetzt einen Raritätenbonus. Und wenn Kenny Moody Dixon Mann nochmal etwas von weißen Jungs und schwarzen Samples elaboriert, gehört ihm dieses Album implantiert.
State of Euphoria
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