„Footcrab, footcrab, footcrab …“: Das Stimmsample ist purer Nonsens, aber durch die dauernde Wiederholung bohrt es sich unaufhaltsam in die Hirnwindungen, bis es das Bewegungszentrum erreicht und die Beine wie von selbst zu tanzen beginnen. Der simple Beat aus einer hüpfenden Kickdrum und einem synchron dazu pulsierenden Basston tut das seine und verwandelt die Tanzfläche in ein Meer zuckender Gliedmaßen. Absoluter Wahnsinn ist das, hat sich auch der Produzent gedacht und liefert den passenden Kommentar mit einem zweiten Sample gleich mit: „Insane, insane, i-i-i-insane!“ Die Rede ist von <b>Addisons Groove</b>s „Footcrab“ (Swamp 81), einem Stück, das die Dubstep-Welt seit einigen Monaten Kopf stehen lässt und von jedem DJ in der Szene gespielt wird, der eine Promokopie in die Finger bekommen konnte. Obwohl eigentlich nur ein simpler Partytrack, ist „Footcrab“ dennoch ein hervorragendes Beispiel für die Fähigkeit von Dubstep, sich durch die Übernahme von Einflüssen aus anderen Genres immer wieder neu zu erfinden. Im Fall von „Footcrab“ ist es der Straßen-House-Stil Juke aus Chicago, der den Produzenten Tony Williams aus Bristol dazu inspiriert hat. Williams, der sonst unter dem Namen Headhunter bekannt ist, senkt das hypernervöse Juke-Tempo auf dubstepkompatible 140 Beats pro Minute ab, bedient sich aber ansonsten aller Merkmale, die den Housebastard aus dem Mittleren Westen der USA auszeichnen: wummernde 808-Beats und Bässe, Rapsamples und einfache, aber einprägsame Melodien. Mit diesen wenigen Zutaten gelingt ihm die frischste Dubstep-Platte der Saison – überhaupt kein „Dumbsh*t“, wie der title der B-Seite behauptet, sondern ganz schön schlau.<br/><br/>
Für frischen Wind sorgt auch ein junger Produzent, der sich bei seinen Auftritten immer hinter einer bunt bemalten afrikanischen Holzmaske verbirgt. <b>SBTRKT</b> kommt aus London und hat sich bisher vor allem einen Ruf als begabter Remixer – unter anderem für Basement Jaxx und Modeselektor – erworben. Die Maxisingle „Rundown/Soundboy Shift“ (Young Turks) ist erst seine zweite eigenständige Veröffentlichung und überzeugt mit zwei dubbigen Neo-2-Step-Stücken. Sein ganzes Potenzial zeigt er aber auf der EP „2020“ (Brainmath), die vier vielfältige und schöne Stücke zwischen Dubstep, House und Techno enthält. Alte Hasen sind dagegen die bepopen DJs und Produzenten <b>Rossi B & Luca</b>, die in den vergangenen zehn Jahren schon einige stilistische Mutationen des Londoner Bassmusik-Kontinuums mitgemacht haben. Nach UK-Garage, Dubstep und Grime haben sie sich jetzt UK-Funky zugewandt und mit dem „E10 Rpopdim“ (Planet Mu) ein absolutes Monster geschaffen. Der Trommelwirbel, auf dem der Beat aufbaut, verleiht dem Stück die rohe Energie von Grime, die durch die aggressiven Reime des MCs Killa P auf der Vokalversion noch intensiviert wird. Ebenfalls auf Planet Mu ist die „Airmiles“-EP des Grime-Produzenten <b>Swindle</b> erschienen. Sein Lieblingsinstrument ist eindeutig ein Synthesizer, dem er so unverschämt coole Flächen und Melodien entzaubert, dass man für seine Musik eigentlich den Begriff „P-Funk-Grime“ erfinden müsste. Mit Synthesizern kennt sich auch <b>Ikonika</b> aus, die mit der Maxi-Single „popiot“ (Hyperdub) einen Vorgeschmack auf ihr Albumdebüt gibt. Das Stück bietet, wie von der Londonerin gewohnt, puren 8Bit-Bleep-Wahnsinn und als Zugabe noch einen pumpenden Funky-Remix von <b>Altered Natives</b>. Etwas weniger überdreht, dafür aber auf der Tanzfläche von mindestens genauso durchschlagender Wirkung, ist „Tron“ von <b>Joker</b> (Kapsize). Ein heftig hin und her waberndes Synthesizerriff bildet den Kern des Stücks, das als Set-Höhepunkt jede Dubstep-Party zum Einsturz bringt.<br/><br/>
Zum Abschluss sei noch auf zwei neue und vielversprechende Download-Labels aus Deutschland hingewiesen. Stoke Audio heißt das Projekt von Thomas Schwarz aus Jena, das als Schaufenster für seine eigenen Stücke als <b>TKR</b> und die einiger befreundeter Produzenten dienen soll. Richtig gut ist dabei die zweite Katalognummer, „Drifting/Duck And Cover“, mit atmosphärischem Dubstep-Techno des Labelgründers. Wesentlich mysteriöser gibt sich der Berliner Künstler Aart Greenwood, dessen Bass-Experimente als <b>AQF</b> auf dem gleichnamigen Label wie eine Mischung aus Various Productions, Ben Klock und Squarepusher klingen. Seine erste Veröffentlichung, „Born And Raised“, war unter anderem auch auf Scubas <i>Sub:stance</i>-Mix-CD zu hören, der zweite Streich heißt „My Peoples Head Is In The Bull Run“ und enthält drei Stücke, die allen risikofreudigen Digital-DJs als Anschaffung schwer zu empfehlen sind.