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I Feel Cream

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Knapp sieben Millionen Klicks auf Myspace? Goodbye underground, hello Peaches Superstar! „Serpentine serpentine, never a straight line, serpentine.“ Ja genau. Dass Peaches nicht der Ödnis anheim fällt, weil sie sich in ihrer ambivalenten Existenz als Kunstfigur immer wieder geschickt aus fesselnden Begrifflichkeiten windet, wurde ja schon des Öfteren verhandelt. Dass die Serpentine jedoch vom Inhalt auf die Form überspringen würde, war auf den letzten Alben erst in Andeutungen zu erkennen. Die Zeit für radikalere Wechsel scheint jetzt gekommen. Schon der (von Soulwax produzierte) zweite Song auf ihrem mittlerweile vierten Album I Feel Cream ist formal so astrein Rock’n’Roll wie nur etwas, aber offeriert inhaltlich eine Tendenz zu Nähe, die man so von ihr nicht gewohnt ist. Wenn dann eine Nummer weiter auf einer perfekt produzierten Disco-Unterlage (von Siman Mobile Disco) die Achtziger-Popper herbeizitiert werden, weiß auch der Letzte, dass hier etwas im Busch ist, von Veränderung kündet, aber massiv.
Wer hätte sich auf den letzten drei Alben eine fragil gehauchte Hookline wie „I Don’t Wanna Lose You“ denken können, ohne dass sie sofort durch eine unmittelbar folgende ironische Distanzierung relativiert worden wäre? Der Pfirsich wirft die Schale ab? „Seems you got a little bit more than you asked for“, fragt sie entsprechend demonstrativ – sie wäre schließlich nicht Königin des feministischen Stinkefingers, wenn sie derlei Bewegungen nicht immer auch fein mitreflektieren würde. Aber zuviel ist es ganz und gar nicht, eher genau richtig, denn in diesem Falle war eine Entwicklung in musikalischer Hinsicht ein Schritt, der mindestens so gefährlich wie nötig schien – war doch der Weg von Fatherfucker zu Impeach My Bush trotz allgemeiner Wertschätzung nicht gerade ein Quantensprung.
Peaches goes Pop, klingt komisch, kommt aber gut. Immerhin hat sie neben den bereits genannten Gästen auch Shapemod, Digitalism und Drums Of Death
eingeladen, sie als Produzenten auf ihren Windungen durch ein erweitertes Universum begleiten. Zwischen sich selbst dekonstruierendem Gangsta Rap, zuckerwattener Disco-Bassline und einer ganz und gar neuen Offenheit gegenüber satt bratzender Elektronik (um nicht zu sagen: Rave) der ausproduzierten Art bewahrt sich die Berlino-Kanadierin die messerscharfe Zunge, setzt aber eben nicht mehr ausschließlich auf die ewige Erörterung der Frage nach dem Unbehagen der Geschlechter. Außerdem, das muss man echt mal sagen, ist die Welt doch eine bessere, in der Peaches die Charts beherrscht, Kpops im Radio über die performative Konstitution ihrer Geschlechtpopentität aufgeklärt werden und auch ausgewachsene Musikfreunde wieder in der Lage sind, Nu-Rave-Wellen über sich brechen zu lassen. Oder, wie ihre Myspace-Seite sagt: „May the 4th be with you!“

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