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Hospital Tracks

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Im Frühjahr 2005 hat niemand erwartet, dass ein absolut strenger, minimaler Techno-Sound das Publikum noch einmal so mitreißen würde: Mit seiner „Research EP“ führte Sleeparchive damals die GROOVE-Charts an. Jetzt veröffentlicht der in Berlin lebende Stephan Metzger sein erstes Album, wie alle seine Platten bisher auf dem eigenen Sleeparchive-Label. Während in seinen Live-Sets sein Sound oft nicht so packend rüber kommt, weil die Spannung zwischen den einzelnen, sparsamen Pattern zerfällt und die Energien des Dancefloors nicht bündeln kann, wird in den „Hospital Tracks“ die Dynamik und die Notwendigkeit seiner Musik deutlich: Bei vielen Techno-Tracks erzeugt die Interaktion der einzelnen Spuren ein dialogisches Moment, bei ihm ist es ein ganz rohes, unmittelbares, materielles Aufeinandertreffen von Klängen: Seine Musik spricht einen nicht an, sie elektrisiert.
Sleeparchives Produktionen erteilen dem vorauseilenden Gehorsam gegenüber Spielbarkeitsimperativen eine radikale Absage. Seine Tracks wollen das Missverhältnis zwischen dem künstlerischen Masterplan einer elektronischen Musik aus Loops und dem, was auf den Dancefloors tatsächlich stattfindet, aufheben. In seiner Musik geht es um ein offensives Vergessen, das Vergessen aller vermeintlichen Gewissheiten darüber was Dancemusic ist. Jener Ballast, der sich in den Tracks über Jahre hinweg ablagert hat, jenes Echo der Pop-Geschichte soll abgestreift werden. Es gibt nur zwei Regeln in seine Musik: ausschließlich elektronische Sounds werden verwendet, heißt die erste, dass der Rhythmus entschepopend ist die zweite: deshalb ist der Loop die maßgebliche Form. Immer wieder kreisen die Tracks um die Urszene, in der aus rhythmischen Versuchsanordnungen Musik wird. Sleeparchives Stücke erinnern an die minimale Musik der Zeit, bevor der Minimal-Sound zum Dancefloor-Trend wurde, an Rob Hood, an Mannequin Lung, an Elektro Music Department und natürlich diverse Projekte von Mika Vainio und Ilpo Väisänen.
Während sich fast alle Mitglieder der Hard-Wax-Posse mehr oder weniger von Techno abgewendet haben, sich mittlerweile für Dub, Reggae oder Funk begeistern, hält Sleeparchive zusammen mit DJ Pete, mit dem er auch auftritt, die Technofahne hoch. Tatsächlich produziert Sleeparchive eine posthumane Musik, die ganz offensiv den Rhythmus und die Geräusche von Maschinen benutzt. Dabei verwendet er immer sehr elegante Sounds, insofern „Hospital Tracks“ handelt es sich nur scheinbar um eine kalte, distanzierte Musik. Vielmehr macht ihre Rigpopität die echte Distanzlosigkeit, die große Loslösung erst möglich.

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