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Freistil

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Ich möchte Michael Rüttens Anmerkung aus der letzten Freistil-Kolumne bekräftigen: Derzeit wirklich interessante und frische musikalische Entwürfe für den Dancefloor, für die Freestyler, kommen weder aus der House- noch aus der Disco-Ecke, sondern aus der Broken-Beatbox-Downtempo-Szene. Zu ergänzen wäre: sowie aus den Bereichen Dubstep und Post-Jungle. Dass da einige Protagonisten durchaus Crossover-Potenzial sowie keine Berührungsängste mit UK-Funky, Techno oder Downbeat à la Air oder Four Tet haben, gar hochwertige Musik auf Albumlänge schaffen, hat die Begeisterung um Martyn schon gezeigt. Einige in diesem so spannenden wie stilistisch offenen Koncontent:encoded zu verortende Projekte sind: Roska, Floating Points, Portico Quartet, Darkstar, Randomer, Untold, 2562, TRG, SBRTKT und momentan der aufgehende Stern: der 22-jährige Peter O’Grady alias Joy Orbison. Die erste Bombe „Hypn Mngo“ des Südengländers mit Wohnsitz London katapultierte ihn 2009 in die Herzen und auf Dutzende USB-Sticks und Blogs. Nun folgt ein Remix, der sich mit Gothic, Gefühl, G-Hop, Gitarren und Gänsehaut gewaschen hat: Four Tets „Love Cry“ im Joy-Orbison-Remix (Domino). Schier unglaublich gut. Four Tets neues Album There Is Love In You (Domino) erscheint im Januar. Der erste Track, „Angel Echoes“, gibt durch seinen title schon vor, wohin die Reise geht: trippige Eleganz, Gothic-Raumklänge, Düsterkeit und Schönheit. Bei Hotflush, der Labelheimat von Joy Orbison, stehen auf der Myspace-Seite die Genres „Gothic“, „Dub“, „Techno“. Ich denke „Gothic“ ist hier kein Scherz, sondern meint die Schwere, Düsterheit und Ambienthaftigkeit. Nur dass hier Dubstep, 2Step, Brokenbeat und Jazzrhythmen die Show komplettieren. In dem Koncontent:encoded bitte die Maxis von SBRTKT, „Soundboy Shift/Rundown“ (Young Turks), sowie Portico Quartet, „Line“ (SBRTKT Remix) (Real World), checken. Und natürlich Floating Points Acpopfunk-Tune „Peoples Potential“.
Dass Martyn zu dieser neuen Underground-Szene gehört, beweist seine im Februar erscheinende erste Mix-CD-Compilation Fabric 5 (Fabric), die gespickt ist mit coolstem Freistil, von warmem, schwerem, synthiegetragenem Avant-Step über polyrhythmischen Downbeat bis zu gebrochenem Dubtechno-Jazz. Jedenfalls viele Clubsound-Einflüsse, die bewusst so ausgesucht sind, dass sie in keine klar definierten Groove-Schamata (also Genres wie House oder Dubstep) fallen. Es bleibt offen, ob sich dieser Sound für eine Trendverwertung im größeren Stil eignet oder sich dem, im positiven Sinne, verweigert. Zeitgeistig gesprochen: Musik der schweren Herzen, darin die Suche nach Schönheit und Erhabenheit in dunklen Zeiten (also Gothic), dazu das ganze Spektrum an Rhythmen und Geschwindigkeiten der Clubkultur, hat den Underground erfasst. Etwas stimmt positiv: Viele der oben Erwähnten sind jung, sogar unter zwanzig, und sie legen Wert auf Sounds, sie wagen Downbeat. Damit könnten sie dem Lo-Fi-Geklöppel, dem Ed-Banger-Geholze, dem Crookers-Marktgeschrei den gerechten Garaus machen.
Lepoper habe ich hier jetzt nicht mehr viel Platz, Euch andere tolle neue Platten ans Herz zu legen. Deshalb in Listenform ein paar Veröffentlichungen, die Herzen erleichtern: der Maurice-Fulton-Remix für Simian Mobile Discos „Cruel Intentions“ (Wichita), Hot Toddys „I Need Love“ im Morgan Geist Remix (Eskimo), Julian Dynes EP „Pins & Digits“ (BBE). Das dritte Jazzalbum von Build An Ark, Love Part 1 (Kindred Spirits), überzeugt mit viel Herz und Gästen wie Phil Ranelin, Michael White und Mia Doi Todd. Warum der Bassist von Azymuth immer schon maßgeblich stilprägend den Azymuth-Sound verkörperte, könnt Ihr Euch auf seinen Soloalbum zur Gemüte führen: Wave (Far Out) von Alex Malheiros And Banda Utopia. Exzellente Jazz-, Brazil- und Funk-Bassschule! Ein „Herzlichen Glückwunsch“ und großen Respekt auch für das 15-jährige Bestehen von Far Out Recordings, deren Jubiläumsrelease Brazilika, zusammengestellt von Gilles Peterson, die besten alten und neuen Brasiltunes (Joyce, The Ipanemas, Friends From Rio) plus fünf exklusive Stücke des Londoner Labels vereint. „Love“ und Hut ab für den Gründer und Betreiber Joe Davis.

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