Der Kontrast aus technologischem Fortschritt und menschlicher Fehlbarkeit ist seit jeher tief in die Klangsprache des Jenaer Ausnahmeproduzenten Gabor Schablitzki alias Robag Wruhme eingeschrieben. Diese reizvolle Divergenz könnte denn auch kaum besser illustriert werden, als mit dem Cover seines neuen Albums: Ein vom Wind gebeugter Nadelwald wird dort von einer massiven Autobahnbrücke geschnitten, auf der wir den kleinen Gabor sehen. Im direkten Vergleich zum 2004 auf Musik Krause erschienenen Album Wuzzelbud KK wirkt Thora Vukk wie ein kontemplativer Ruhepol, der seine Magie aus atmosphärischen Feldaufnahmen, filigran stotternden Grooves und dezentem Pianospiel bezieht. Mit melancholischem, aber nie sentimentalem Blick lässt der Produzent für kurze Momente den unschuldigen Zauber der Kindheit aufblitzen und gewährt uns damit auch im übertragenen Sinne einen intimen Blick in das eigene Familienalbum. Kinderstimmen, Küchengeräusche und Naturkulissen irrlichtern wie die Schatten einer sorgenlosen Vergangenheit über die charakteristischen Schluckauf-Beats.
Lediglich das obskure Stolpern und Wanken ist in den Titeln ein Stück weit der cineastischen Tiefenschärfe gewichen. Doch wo andere Musiker den geraden Takt dann gerne mal für die Selbstfindung, Weiterentwicklung oder Experimentierfreude komplett über Bord werfen, bleibt er bei Robag Wruhme ein treuer und vertrauter Weggefährte, den man zu keiner Zeit missen möchte. Rhythmuslastigere Stücke werden dabei durch Interlude-Brücken verknüpft, die etwas von auditiven Suchbildern haben: Umgebungsgeräusche werden zu organischen Collagen montiert, deren topografische Beschaffenheit nicht immer sofort auf die einzelnen Quellen schließen lässt und die sich so ihre mysteriöse Aura bewahren. Wenn auf „Bommsen Böff“ minutenlang der nackte Groove vor sich hinklackert, dann geschieht das scheinbar nur, um den Hörer noch tiefer in die raumgreifende Pianomodulation eintauchen zu lassen, die sich im Zentrum des Geschehens erhebt.
Es ist immer wieder dieser Gegensatz aus betont artifiziellen Gesten und organischem Anstrich, der Robag Wruhmes Musik zu einem unvergleichlichen Faszinosum macht. So werden gluckernde Bäche und klingelnde Windspiele von mechanisch gesetzten Hihat-Patterns und stoischen Synthie-Fragmenten traktiert, und selbst die menschlichste aller Klangquellen, die Stimme, wird in unwirklich tiefe Tonlagen geschoben. Wo sich andere um Kopf und Kragen mischen, um solche Reibungsmomente zu nivellieren, entwickelt Wruhme rund um das daraus resultierende und vor allem irritierende Moment seine wunderlichen Klangwelten. Wenn es am Ende schließlich „Tschüss, Gabor!“ heißt, bleibt eigentlich nur noch eine Frage: Schon vorbei? Aber so ist das mit der eigenen Adoleszenz ja schließlich auch.