Illustrationen: Ian Warner/Resonate
Freut Euch doch, dass die Leute überhaupt wieder für Musik bezahlen und sie nicht illegal downloaden! Der Streaming-Dienstleister Spotify möchte sich gerne als rettenden Erfolg für die Musikindustrie verstanden wissen. Wäre da nicht jede Menge Kritik seitens der Künstler in den letzten Jahren: Adele, Coldplay und Herbert Grönemeyer haben zum Beispiel ihre Musik nicht mehr auf Spotify zur Verfügung gestellt. Taylor Swift sagte, sie wolle nicht mehr an einem Experiment teilnehmen, das die Urheber und Interpreten von Musik nicht fair entlohne.
Erstaunlich ist, dass gerade die Popgrößen sich aufregen: Ihre Musik wird viel gestreamt und wirft dadurch viel Geld ab. Allerdings macht Spotify seine Verträge mit den Labels und nicht mit den Künstlern direkt, so dass es am Ende von ihren Verträgen mit den Labels abhängt, wie viel sie an den Streams verdienen. Genau da setzt Resonate an: Die neue Streaming-Plattform hat sich zum Ziel gesetzt, endlich Künstler fair für ihre Musik zu bezahlen. Der Anbieter will seinen Dienst Ende 2016 starten und beginnt im September mit einer Crowdfunding-Kampagne. Wir sprachen mit Peter Harris, Software-Entwickler und Gründer von Resonate.
Peter, warum ist Resonate fairer als andere Streaming-Plattformen?
Peter Harris: Streaming-Dienste, die auf monatlichen Abo-Modellen basieren, haben immer ein Problem mit Honoraren für die Künstler. Bei Spotify denkt man zunächst, sie zahlen die Künstler pro Stream. Aber die User hören sehr unterschiedliche Musik in unterschiedlichen Mengen und zahlen dafür einen pauschalen Betrag pro Monat. Bei Resonate gibt es kein Abo-Modell. Stattdessen zahlen unsere Nutzer eins zu eins für jedes Abspielen von Musik.
Wie kam es zur Idee für Resonate?
Ich habe mein eigenes Streaming-Verhalten betrachtet: Ich höre mir mehr oder weniger dieselben zwei Alben immer wieder an. Ich weiß, wie wenig die Künstler dafür bekommen. Und ich könnte mir natürlich tausende Songs anhören, die mir die Plattform theoretisch anbietet. Aber trotzdem höre ich immer dasselbe. Ich streame die Musik, aber sie gehört mir nicht. Also ist mir klar geworden, wie ein faires Modell aussehen muss: Die Nutzer zahlen pro Play, und es fängt bei einem sehr kleinen Betrag an. Nachdem man den Song oder das Album ein paar mal gehört hat und merkt, die Musik bedeutet einem wirklich etwas, ist der Titel gekauft und kann ab da kostenlos gehört werden. Auf diese Weise wollten wir einen emotionalen Prozess abbilden, in dessen Verlauf eine Bindung zwischen Hörer und Künstler entsteht.
Wie wird das Bezahlmodell von Resonate im Detail aussehen?
Der erste Play kostet 0,002 US-Cents. Der zweite 0,004, der dritte 0,008 und so weiter, bis zum 9. Play: Damit kauft der Nutzer den Song und bezahlt dafür 1,022 US-Dollar. 30 Prozent davon geht an Resonate. Künstler ohne Label erhalten die übrigen 70 Prozent. Für Künstler mit Label wollen wir es ermöglichen, dass sie nach dem Login sehen können, wie viel Prozent des Umsatzes an ihr Label geht. Wir bezahlen beide Parteien dann direkt, oder, falls sie es wünschen, alles an das Label, das den Betrag dann an die Künstler weiterberechnet. Sie können sich außerdem entscheiden, ihren Fans Musik kostenlos zur Verfügung zu stellen, etwa als Promo zum nächsten Album.
Wird es auch DJ-Mixe geben?
Da haben wir leider das Problem, dass der User für jeden Track, den er im Mix hört, bezahlen muss. Wenn er nur den halben Mix hört, bezahlt er ihn auch nur halb. Damit wir einen Mix in unserem Modell fair berechnen können, müsste jeder Track daraus auf Resonate verfügbar sein. Das wird vor allem in der Anfangszeit für viele Mixe nicht zutreffen. Und DJs spielen Songs in ihren Mixen nicht ganz aus, das macht es für uns auch etwas kompliziert. Aber wir wollen an einem entsprechenden Modell für Mixe arbeiten und bieten außerdem kuratierte Playlisten an.
Resonate beruht auf einem Genossenschaftsmodell. Wie kann man sich das vorstellen?
Es gibt einen Mitgliedsbeitrag für die Hörer von 5 Dollar im Jahr. Dadurch erhält man ein Geschäftsanteil bei Resonate und kann an Abstimmungen teilnehmen. Dieses Recht haben auch Labels und Musiker. Später wird es vielleicht auch möglich sein, nur zu streamen ohne Mitglied zu sein.
Wird Resonate auch von Investoren finanziert?
Normalerweise läuft es bei Start-ups so, dass Investoren 20 bis 30 Prozent des Unternehmens kaufen und dadurch die Geschäftsentwicklung beeinflussen können. Das funktioniert natürlich nicht in einer Genossenschaft. Wir haben uns deshalb eine spezielle Art der Beteiligung für Investoren ausgedacht: Sie haben ebenfalls nur jeweils eine Stimme in Abstimmungen, genauso wie jeder Nutzer oder Musikanbieter. Den Investoren gehören keine Geschäftsanteile. Ihr Geld wird verzinst, es ist also immer noch eine Investition, aber eben nicht im klassischen Sinne.
Resonate will nicht nur eine Genossenschaft sein, sondern auch kollaborativ funktionieren. Wie wird das aussehen?
Zum Beispiel wollen wir die App zum Abspielen der Musik mit Hilfe der Community entwickeln. Wir haben bereits eine Menge Mails von Freiwilligen erhalten, die uns unterstützen wollen. GitHub ist da eine wichtige Plattform für uns, über die wir Lösungsvorschläge von Entwicklern erhalten. Wir wollen zunächst eine recht einfache Version der App launchen und dann schauen, welche Features sich die User wünschen. Wir lassen die Community abstimmen und sind für alles offen.
Wie kann man sich die Plattform vorstellen?
Wir wollen mit einem Dienst namens Loomio arbeiten. In der Community wird es Gruppen für die verschiedenen Teilhaber geben, also für Musiker, Labels und Hörer. Ich stelle mir eine repräsentative Demokratie vor: Nicht alle User werden sich an den Diskussionen beteiligen, dafür andere umso mehr. Aus den Gruppen gehen einzelne Personen als Sprecher hervor, die eine Art Mandat von den übrigen Usern erhalten. Die Diskussionen sind jedoch offen für alle und jeder hat die Möglichkeit, sich jederzeit einzuklinken.
Peter Harris gibt im Rahmen des Festivals Pop-Kultur am 31.8.2016 einen Workshop zum Thema „How to build a fair streaming service / Wie man einen fairen Streaming-Anbieter aufbaut“.