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Teil des Features Digging im digitalen Zeitalter aus der Groove 163 (November/Dezember 2016).

Mit welchem Medium legst du hauptsächlich auf?
Ich lege seit nunmehr knapp 2 Jahren relativ viel mit USB-Sticks auf. Das hat mehrere Gründe. Es ist sehr frustrierend, wenn man trotz Soundcheck ständig mit Problemen zu kämpfen hat, besonders bei Festivals, schlechten Räumen und so weiter. Wenn ich aber die Partyreihe oder den Club kenne und weiß, dass Vinyl wirklich einen Mehrwert bringt, dann packe ich nach wie vor lieber zu viel als zu wenig Platten ein. 

Gehst du noch regelmäßig in Plattenläden?
Obwohl ich dieser Tage etwas weniger Platten auflege, kaufe ich mehr als je zuvor. Das liegt vor allem daran, dass ich gerade nach Paris gezogen bin und hier einfach noch sehr viel geht. Es gibt bestimmt 25 Läden, dazu das ganze Jahr über Flohmärkte.

Wie entdeckst du alte Musik? 
Für mich ist endlos durch Platten wühlen ein bisschen wie Yoga, ganz besonders wenn es nicht spezialisierte Läden sind, sondern „in the street“ – also auf Märkten, in Charity-Shops, alten Warehouses, Kellern, überall wo man Platten sonst noch so findet. Das Schöne daran ist das Zufallsprinzip: Du hast keine Ahnung, was genau du finden wirst. Du musst nicht wie im Internet erst nach Stichwörtern suchen und endlos filtern. Es hat seinen eigenen Charme. Aber klar ist es auch sehr viel Arbeit und kann total frustrieren. Im Endeffekt sollte man so etwas nur machen, wenn man viel Zeit hat und vielleicht auch ein bisschen verrückt ist. Natürlich bekomme ich auch über das Internet und Freunden neue Musik und Tipps. Man kennt sich irgendwie in dieser Welt untereinander und tauscht viel miteinander aus. 

Hat sich und wenn ja: wie hat sich Digging deiner Meinung nach verändert?
Viele vermeintlich rare Platten, für die man vor einigen Jahren noch sehr viel Geld hingelegt hat, sind durch Discogs erschwinglicher geworden. Die wirklich guten und seltenen Platten, die schon in den Neunzigern gesucht waren, sind natürlich stabil geblieben oder noch teurer geworden. Aber ansonsten ist das alles immer auch eine Frage dessen, was gerade angesagt ist. Es wird immer schwieriger, noch neue (und vor allem gute!) Platten zu entdecken, und sobald etwas in einem Mix oder auf Boiler Room verwendet wird, kann man direkt die Preise steigen sehen. Deswegen muss man immer einen Schritt voraus sein oder eben Glück haben. 

Geht das überhaupt: Digital Digging? 
Je nachdem wo man wohnt, kann es sehr schwer bis unmöglich sein an bestimmte Platten zu kommen. Berlin ist ein gutes Beispiel – erstens sehr viel Konkurrenz beim Kaufen und dann außer Rock, etwas Jazz, House und Techno nicht so viel Auswahl. Amerikanischen Soul, 7inches, Privatpressungen? Keine Chance. Dann bleiben einem nur das Internet, Kontakte oder Reissues. 

Wenn du reist, nimmst du dir vor/nach deinen Gigs Zeit, in Plättenläden zu diggen?
Auf jeden Fall. Ich versuche mir vorab schon einen Plan zu machen, was ich genau abklappern will beziehungsweise kann in der kurzen Zeit. Meistens helfen einem die Promoter oder andere Leute vor Ort, und so entstehen dann im besten Fall Freundschaften mit Gleichgesinnten.

Kann man auf Flohmärkten noch fündig werden und ist das ein Relikt aus vergangenen Zeiten? 
Absolut. Platten werden immer im Umlauf sein, man nimmt sie nicht mit ins Grab. Allerdings sind die Zeiten, in denen alles generell 5 Euro und weniger gekostet hat vorbei. Und man hat sehr viel Konkurrenz, wenn man in großen Städten ist. Trotzdem bin ich immer wieder überrascht, was man zum Teil noch nachmittags so finden kann, nachdem alle schon an den gleichen Ständen waren. Und falls nicht – man darf sich nicht unterkriegen lassen!
 
In welcher Record Stores/ auf welchen Flohmärken diggst du am liebsten?
Paris und die ganzen Brocantes/Märkte hier sind wirklich top. Ich kann jedes Wochenende zum Puces de Vanves gehen und werde immer irgendwie fündig. Davor war ich einige Jahre in Holland, auch dort ist es generell recht einfach an gute Platten zu kommen. In Deutschland ist es leider etwas schwieriger – aber mit Geduld und Ausdauer kann man auch hier fündig werden. Ich hatte am meisten Glück in kleineren Großstädten, wie zum Beispiel Nürnberg, Wuppertal, Mainz und so weiter. Und München, meiner Meinung nach die Stadt mit den besten Platten hierzulande. Überall wo viel Geld liegt, aber auch ein reiches kulturelles Umfeld da ist, findet man meistens die beste Auswahl, zumindest in westlichen Ländern und z.B. auch Japan. Ist ja auch irgendwie logisch. Wer broke ist, hat kein Geld für Platten.

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