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DIE LABELMANAGERIN Liz Miller (Big Beat Records)

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Interview: Thilo Schneider
Erstmals erschienen in Groove 149 (Juli/August 2014) als Teil des „Techno-Kapitalismus“-Specials

Es dürfte wohl kaum jemanden geben, der innerhalb der elektronischen Musikszene so gut vernetzt ist wie Liz Miller. Mit ihr sprachen wir über den Unterschied zwischen kleinen und wirklich großen Labels sowie die neue Vermarktung elektronischer Musik.

Nachdem Liz Miller bei Beatport und Minus gearbeitet hatte, machte sie sich mit digitalem Marketing für Acts wie Richie Hawtin, Guy Gerber oder Seth Troxler selbstständig. 2010 wurde ihr der Geschäftsführer-Posten bei Big Beat Records, einem Dance-Ableger der Warner Music Group, angeboten. Nach einigem Zögern nahm sie den Job an und zog von Berlin nach New York. Mit Acts wie Skrillex, Chromeo oder Hercules And Love Affair zählt Big Beat Records zu den größten Labels im US-amerikanischen Dance-Business.

 

Liz, was ist für dich der Unterschied zwischen einem Techno-Label wie Minus und Big Beat Records?

Die Unterschiede sind sehr groß, in erster Linie bei der Personalbesetzung. Am Anfang saß ich bei Big Beat alleine, inzwischen haben wir große Abteilungen mit einer Menge Angestellten, die an langfristigen Karrieren unserer Künstler arbeiten. Innerhalb der Dance-Kultur ging es immer um das Label als starke Marke, und in meinem ersten Jahr bei Big Beat habe ich gemerkt, wie schwierig es ist, einerseits das Label stark zu positionieren, anderseits den Fokus auf die Künstler zu setzen. Um ein Beispiel zu nennen: Wenn wir Videos oder Musik auf Soundcloud posten, ist es üblicherweise auf der Künstlerseite. Weil wir versuchen, die Künstlerseite aufzubauen, das hat für uns erste Priorität – aber dadurch bekommt unsere Labelseite nicht so viel Likes und Abonnenten. Auf der anderen Seite kann es für einen Künstler von großem Vorteil sein, Teil eines starken Labels wie Minus zu sein. Ein Großteil des Verdienstes von DJs wird durch Touren gemacht und wenn man Teil dieser Crew ist, wird man einfach mitgezogen. Es ist Teil der Dance-Kultur, wie wir sie in den vergangenen zwanzig Jahren gelebt haben. In den Plattenläden sind die Fächer ja auch nach Labels geordnet und nicht nach Künstlern. Das ist wirklich einzigartig, aber genau das verändert sich gerade. Künstler stehen mit ihren Karrieren jetzt stark im Fokus der Öffentlichkeit, sie machen sich keine großen Gedanken mehr auf welchem Label sie veröffentlichen wollen.

Wie wichtig ist ein Album überhaupt noch für einen Künstler wie Skrillex?

Er hat ja gerade sein Debütalbum veröffentlicht. Wenn du ihn fragst, würde er wahrscheinlich sagen, dass es ein sehr wichtiger Prozess für ihn war, er ist ein großer Musikliebhaber und hat das Format sehr ernst genommen. Die heutigen Konsumenten sind aber auch mit EPs zufrieden, für sie muss es nicht immer gleich ein Album sein. Wir müssen da als Label heute viel flexibler reagieren. Zeiten ändern sich.

Was kann und muss ein Label wie Big Beat seinen Künstlern denn bieten?

Da gibt es viele Aspekte. Ein Punkt ist das Streaming. Wir haben es heute mit Kids zu tun, denen es zum großen Teil egal ist, ob sie die Musik wirklich besitzen. Sie hören sich einen Track auf Youtube oder Soundcloud an. Wir müssen jetzt dafür sorgen, dass wir von den Streaming-Anbietern gerecht bezahlt werden. Die meisten unserer Deals heutzutage sind „360°“-Deals, wir sind also an allem, was die Künstler tun, finanziell beteiligt. Ein wichtiger Aspekt ist das Live-Touring, wir haben eine Abteilung, die sich nur darum kümmert, die Touren richtig zu promoten, VIP-Packages für die Fanclubs bereit zu stellen etc. Wir wollen eine Musik-Company sein, nicht nur ein Plattenlabel. Das ist der smarteste Weg für jedes Plattenlabel zurzeit.

Kannst du nachvollziehen, dass man aus europäischer Sicht irritiert darauf reagiert, wie elektronische Musik zur Zeit in den USA vermarktet wird?

Ja, auf jeden Fall. Ich musste es auch für mich selbst gedanklich gerade rücken: Auf der einen Seite gibt es House Music – und dann gibt es EDM. Das sind zwei verschiedene Kulturen. Für mich selbst ist es besser, wenn sich die zwei Welten nicht überschneiden. Alleine die blöde Tatsache, dass wenn ich auf einem Festival arbeite, all meine Freunde in einem anderen Zelt spielen. (lacht) Dance Music kann aber auf so eine lang anhaltende und vitale Kultur zurückblicken, dass wir es gar nicht nötig haben, uns so zu verhalten als ob uns EDM wirklich bedrohen würde. Klar, die ganzen EDM-DJs haben die Zeit ihres Lebens – lasst sie doch machen! Wir behalten ja unsere Kultur, ich glaube, sie wird durch das ganze EDM-Ding sogar noch stärker.

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