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DER FESTIVAL-VERANSTALTER Steffen Charles (Cosmopop)

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Text: Alexis Waltz
Erstmals erschienen in Groove 149 (Juli/August 2014) als Teil des „Techno-Kapitalismus“-Specials

Seine erste Party veranstaltete Steffen Charles 1992. Sein Lebenswerk, die Time Warp, feierte im vergangenen Jahr ihren zwanzigsten Geburtstag. Im Interview spricht er unter anderem über den globalen Boom elektronischer Musik, neue Konkurrenten und das EDM-Unternehmen SFX Entertainment.

Neben der Mayday kann keine andere hiesige Hallenveranstaltung auf eine so lange Geschichte wie die Time Warp zurückblicken. Steffen Charles’ Firma Cosmopop richtet auch den Love Family Park, Sonus (in Kroatien), das SEMF (in Stuttgart) und die Time Warp Argentina aus und ist zudem für zwei Clubs (Das Zimmer in Mannheim und den Loft Club in Ludwigshafen) verantwortlich. Zu seinen Azubis sagt er: „Ich hatte sieben Millionen Scheibenwischer in der Hand.“ In den Zeiten vor Internet und Social Networking musste jeder Flyer einzeln an ein Auto geklemmt werden.

 

Steffen, was sind für dich die gravierendsten Veränderungen im Festivalgeschäft der vergangenen Jahre?

Es ist sehr viel internationaler geworden. Für einen DJ ist es heute möglich, das ganze Jahr auf irgendeinem Festival vor mehr als 10.000 Leuten zu spielen. Das gilt natürlich nur für die Topleute.

Wer sind die Topleute? Ist zum Beispiel der jährliche DJ-Poll von Resident Advisor ein Maßstab für Festivalbooker?

Der ist nicht repräsentativ, wenn ein Newcomer über jemandem wie Carl Cox steht. Wenn du da in den Top 10 bist, bedeutet das nicht, dass du international ein Festival headlinen kannst. Es zeigt aber, dass du dort präsent bist. Diese Charts sind ein Hypetool. Da gibt es mehr Durchlauf als in den in der Charts in der Groove früher. Die Entwicklung hat auch etwas Gutes: Wenn die Stars international unterwegs sind, hat der Nachwuchs hierzulande größere Chancen.

Ist die globale Konkurrenz für euch ein Problem?

Auf den Festivals in Südamerika oder Korea ist David Guetta der Star. Unsere Künstler finden da auf Stage 3, 4 oder 5 statt. Wenn die zurückkommen, sehen sie oft, dass wir hier vom Publikum und der Eventabwicklung und –ausrichtung her näher an der Szene sind und deshalb doch interessanter.

Wie stehst du zur Gagenexplosion vieler DJs in den vergangenen Jahren?

Die enormen Gagen nehmen natürlich Geld vom Markt. Der hohe Eintritt, den man für einen Star an einem Wochenende gezahlt hat, fehlt am folgenden Wochenende. Es ist aber falsch, nur den Künstlern die Schuld zu geben. Wenn du im Jahr 120 Termine zwischen drei und dreißig tausend Euro zu vergeben hast, ist das wahnsinnig schwer, die Balance zu finden. Wir als Promoter müssen da klare Grenzen setzen. Und das Umfeld des Künstlers muss mitziehen.

Wird der globale Boom elektronischer Musik auch in Deutschland spürbar?

Deutschland ist deutlich rückläufig, auch gegenüber den europäischen Ländern. Bei der Time Warp haben wir nur noch 50 Prozent deutsche Gäste. Die Kollegen von der Nature One haben das Problem aber nicht. In Deutschland ist es schwieriger geworden, wenn du im Underground arbeitest. Heute gibt es gegenüber den Neunziger- und Nullerjahren gerade noch 30 Prozent der Clubs. Das hat auch mit der Demografie zu tun: Ich bin 1971 geboren, wie 961.000 andere Kids. Heute kommen pro Jahr noch gerade mal 500.000 Babys zur Welt.

In Deutschland gibt es weniger Festivals als in Ländern wie Holland oder England. Warum?

Auf einem holländischen Festival stehen zwei Polizisten. In Deutschland sind wir andere Repressalien gewohnt. Die intensiven Polizeikontrollen sind natürlich nicht gerade ansprechend. Als Reaktion bilden sich kleine Veranstaltungen mit drei bis fünfhundert Leuten. Die machen es uns schwer, die wir professionell arbeiten und davon leben müssen. Natürlich bin ich dankbar, dass Leute an die Szene herangeführt werden. Als ich früher im Plattenladen gearbeitet habe, ging es mit Talla [2XLC] los. Zwei Jahre später war man dann bei Josh Wink.

Die Betreiber der Nature One haben ihre Firma an das amerikanische Riesen-Unternehmen SFX verkauft. Wie steht ihr dazu?

Ich kann das komplett nachvollziehen. Die ganze Situation ist schwieriger geworden. Etwa warten wir immer noch auf die Genehmigung des Umweltministers für den Love Family Park (das Interview fand im Mai 2014 statt, d. Red.). Die Investitionen sind enorm, und wir machen auch immer wieder Veranstaltungen mit Verlusten. Da ist es verständlich, die Risiken an eine Firma wie SFX abzugeben.

Könnten Firmen wie SFX irgendwann sie Szene dominieren?

Für den Underground bleibt immer Platz. Mir macht der Nachwuchs mehr Sorgen: Wie kriegen wir die jungen Leute in die Clubs? Wie kriegen wir sie dazu, gescheit elektronische Musik zu hören und sich nachhaltig dafür zu interessieren? Wenn ich den IPod meines Sohns durchgucke, dann ist da Musik drauf, da schüttelt es mich.

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