„Für mich war elektronische Musik punkiger als Punk: Man brauchte noch nicht mal Akkorde zu lernen, sondern bloß eine Taste auf dem Keyboard zu drücken, schon hatte man einen interessanten Sound“, wird Daniel Miller am Anfang des Buchs, seines Buchs über Mute Records zitiert. Damals experimentierte er mit einem Korg-Synthesizer und brachte 1978 die Single “T.V.O.D./Warm Leatherette” in Eigenregie raus. Ein Labelname musste her: Mute war geboren. Die Geschichte eines Labels schildert, von Bernhard Schmid ins Deutsche übertragen, die Entwicklung des Einmannprojekts zum ein ussreichen Indie-Label.

Neben Aussagen von WegbegleiterInnen bindet der federführende Autor Terry Burrows Zitate des Labelchefs in Einführungstexten zu den chronologisch geordneten Kapiteln ein. Im Mittelpunkt stehen Platten wichtiger Artists von EBM-Vorreitern DAF und Electropop-Pionieren Depeche Mode über Einstürzende Neubauten und Nick Cave zu Laibach, Plastikman, Moby und Goldfrapp. Dass Robert Görl und Gabi Delgado-López von DAF in der Zeit der Aufnahmen zu ihrem Album Die Kleinen und die Bösen von 1980 auf dem Boden in der Wohnung von Millers Mutter schliefen, ist eine der Anekdoten, die dabei den Charme ausmachen.

Der eigentliche Schwerpunkt liegt aber nicht auf dem Geschriebenen, sondern dem Visuellen. Unter anderem Cover-Artworks, Tourplakate oder bisher unveröffentlichte Entwürfe geben Einblick in die vielseitige Ästhetik von Mute. Wie bei der Musik, die immer wieder mit Konventionen brach, provozierten auch die Gestaltungen. Die Begeisterung Millers für das Herausfordernde ist klar. Schade allerdings, dass das Ambivalente – wie etwa ein von Kunst imitierter Totalitarismus – zwar angerissen, aber nicht weiter diskutiert wird. Klar benannt wird dagegen die Abhängigkeit, in die ein DIY-Projekt in seiner Entwicklung zum gefragten Label geraten kann. „Damit wir uns recht verstehen, wir sind ein Geschäft“, sagt Miller. Ein Geschäft aber, das Electropop maßgeblich prägte und bis heute elektronische Musik in vielen Facetten fördert, ohne ausschließlich auf die Bilanz zu schauen.

Das Buch Mute Records. Die Geschichte eines Labels von Daniel Miller und Terry Burrows erschien am 6. November im Blumenbar/Aufbau Verlag.

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