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Zeitgeschichten: Jean-Michel Jarre & Vangelis

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Mit Ausnahme von Tangerine Dream (lest unser Zeitgeschichten-Feature zur Band) waren die wichtigsten Figuren des analogen Synthie-Epos-Genres Solokünstler wie Jarre. Es gibt etwas an dem Bild vom einsamen Komponisten, der, auf der Bühne oder im Studio, von Reihen elektronischer Geräte flankiert wird, das den Kern des Genres zu treffen scheint und eine pompöse “Großer Mann, allein”-Aura heraufbeschwört.

Vangelis ist ein perfektes Beispiel dafür. Er spielte zuerst bei den griechischen Prog-Rockern Aphrodite’s Child und erhielt dann ein Angebot, bei Yes als Keyboarder einzusteigen. Doch Vangelis lehnte es ab, da er glaubte, die Kompromisse eines Bandkontextes würden der Erfüllung seiner Vision im Weg stehen. Stattdessen baute er sich ein Aufnahmestudio im Zentrum von London, in der Nähe von Marble Arch, auf, füllte es mit Statuen, Figuren und allerlei Exotika, um eine inspirierende Atmosphäre zu schaffen, und nannte es Nemo, weil, wie er heute sagt, „es von den konventionellen Studios in London irgendwie abgeschnitten und ziemlich anders war. Es sah ein bisschen so aus wie Captain Nemos U-Boot in Jules Vernes ‘20.000 Meilen unter dem Meer’”. Hier komponierte Vangelis seine Musik vor Ort, umgeben von einem riesigen Arsenal an Keyboards, und improvisierte direkt aufs Band.


Video: Vangelis – Blade Runner Theme

Nachdem er bei RCA unterzeichnete, veröffentlichte Vangelis ab Mitte der 70er eine Reihe von Soloalben sowie einige Kollaborationen mit Yes-Sänger Jon Anderson. Die meisten Vangelis-Solo-LPs – Spiral, Albedo 0.39, China – demonstrierten seine Begabung für Melodie und sein Markenzeichen, die Synthie-Palette göttlich klarer Töne. Eine Ausnahme stellte Beaubourg von 1978 dar, ein sinistres, atonales Werk, das nach dem Gebäude, das das Centre Pompidou beherbergt, benannt war und das Vangelis selbst als eine Art Streich bezeichnete. “Ich tat damals etwas, das ich für komplett absurd hielt, und lieh mir den Namen ‘Beaubourg’ von diesem so genannten Pariser Museum. Ich stellte mir vor, dass wenn es eine Stimme hätte, diese so klingen würde.”

RCAs Hoffnungen auf einen Vangelis-Hit vom “Tubular Bells”-Format erfüllten sich zwar nicht, doch seine Musik begann, in Film- und Fernsehsoundtracks aufzutauchen, wo ihre majestätisch-grandiose Aura perfekt etwa zu Carl Sagans TV-Serie Cosmos oder Costa Gavras’ Film über den Grand Canyon passte. Der Durchbruch kam schließlich 1981 mit seinem oscargekrönten Score für Die Stunde des Siegers, dem wenige Jahre später mit dem Blade Runner-Score das Vangelis-Meisterwerk schlechthin folgte, auf dem sich seine Synthie-Klänge wie schillerndes Gas am Rand des Horizonts ausbreiten. Erstaunlicherweise wurde die komplette Filmmusik erst in den 90ern veröffentlicht.

Während einige ins New Age-Genre abwanderten, kamen die meisten Cosmic-Synthie-Künstler bei Filmsoundtracks erst richtig zur Geltung. In diesem Bereich war ihr Mangel an Bühnenpräsenz und Pop-Charisma kein Hindernis. Das Komponieren von Filmscores erlaubte es ihnen, sich von der unprofitablen und ermüdenden Routine, zu jedem Album zu touren, zurückzuziehen. Nach dem Atemlos vor Angst-Soundtrack komponierten Tangerine Dream noch über 30 weitere Filmmusiken. “Es gab uns die Freiheit, das zu tun, was wir wollten, ohne von einer Plattenfirma eingeschränkt zu werden”, sagt Edgar Froese von der Band. “Außerdem war es die Chance, an einer der bizarrsten Kunstformen, die man sich nur vorstellen kann, zu arbeiten.” Im ständigen Wechsel zwischen Filmsoundtracks und seinen eigenen Soloalben gab Vangelis Nemo für ein neues Studio auf, das Epsilon Laboratory, das fast komplett aus Glas bestand und sich auf dem Dach eines hohen Gebäudes in Paris befand. Auch das ließ er jedoch bald hinter sich und wurde dank zunehmend tragbarer Synthesizer-Technologie zum musikalischen Wanderarbeiter.

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