Foto: Luke Dyson (DJ Harvey)
Zuerst erschienen in Groove 151 (November/Dezember 2014).

Heutzutage legen leider nicht wenige DJs oft standardisierte Sets hin. Sie spielen genau das Ding, was du von ihnen erwartest – eine gute Mischung aus Eigenproduktionen, Musik aus ihrem Umfeld und Sachen, die halt gerade aktuell sind. So läuft das eben. Doch DJ Harvey ist jemand, der da extrem abweicht, der sein ganz eigenes Ding macht. Als ich ihn vor ein paar Jahren in der Panorama Bar in Berlin gesehen habe, wegen Visaproblemen sein erster Auftritt in Europa seit Langem, war das extrem aufregend – selbst für mich, jemanden, der selbst schon so lange dabei ist.

Sein Set, Harvey spielte am Sonntagnachmittag, hat mich so begeistert, dass mir die sechs Stunden vorkamen wie drei oder zwei. Ein Freund hat mir vorher noch mal die aktuellsten Harvey-Mixe zugeschoben. Seine ganzen Black Cock-Sachen und Remixe von früher hatte ich natürlich schon. Der klassische House auf englischen Labels und eben diese Disco-Edits. Aber auch die neueren Mixe fand ich direkt geil, da konnte nach jeder Nummer was ganz anderes kommen, ein ganz anderer Stil.

Stream: DJ Harvey – Old Testament (DJ-Mix, 2011)

Und auch in der Panorama Bar war wirklich jede Platte eine Überraschung, aber vom Vibe her hat das immer gepasst. Da lief zum Beispiel eine Techno-Nummer, die war super, sehr klassisch, Detroit, tolle Hi-Hats mit viel Swing und Shuffle, die war richtig Bombe – und die ging dann in eine Disconummer über, mit so Congas, das war einer dieser besonderen Momente. Und zwischendrin spielte er dann noch “Also Sprach Zarathustra” von Eumir Deodato, diese Discoversion.

Das war ein Set, wo alles geht, wo du ständig überrascht bist, und wo ich auch zugeben muss, dass ich etwa neunzig Prozent gar nicht kannte. Was ich auch klasse fand: In Zeiten, wo alle immer loopen, alles in einem Flow und perfekt ist, hat er die Musik zweimal komplett ausgemacht. Nicht so angebermäßig, sondern ganz einfach, weil es perfekt gepasst hat und funktionierte, dafür muss man ein besonderes Gespür haben. Und Harvey hat es, überhaupt keine Frage.

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