Zu den vielen Dingen, denen Edwards nachtrauert, gehört das Pingpong zwischen Popwelt und Dance-Szene. Die „Extended Versions“ von Popsongs, etwa von Trevor Horn, inspirierten Edwards nachhaltig. Sie haben sein Musikverständnis, bei dem es immer darum geht, Tracks in die kleinsten Teile zu zerlegen, geprägt. „Da gibt es diese tollen Segmente, wo alles auseinanderfällt, wo nur das Skelett des Tracks zurückbleibt“, schwärmt er. Matt Edwards hatte noch das Privileg, den Garage-House-Übervater Larry Levan in London kurz vor dessen Tod zu erleben. Levan spielte verschiedene Variationen der gleichen Platte, Dubs, Vocals. Da fing Edwards Feuer.

Er entdeckte Legenden wie Walter Gibbons, John Morales, den François-Kevorkian-Remix von „Happy Song“ von Rare Earth, der nur aus Drums besteht, und House etwa von Mood II Swing. Plattensammeln wurde zur Obsession. Er betrieb mit Freunden das Studio South Circular, dort spielte er zum Soundtrack des Films Shining auf der 808. „Ich stand auf eine Collage-Ästhetik und ich hatte nicht die Geduld und das Wissen, um wirklich etwas selbst zu machen.“ Mit dieser Ästhetik ging es auch in seinen ersten Tracks weiter: Er liebte das Sampling, aus dem er bald seinen hypnotischen signature sound entwickelt. „Ich will ein Bild malen, das deutlich in seiner Absicht ist. Ich möchte nichts hinzufügen, nur um etwas hinzuzufügen. Ich benutze keine Tricks, kein Füllmaterial“, erklärt er.


Stream: Radio Slave – Trans

Zwischen 2000 und 2009 produzierte Edwards unfassbar viel Musik: als Radio Slave, als Quiet Village, als The Machine und zahllose Edits für sein Cabin-Fever-Label. Und in jedem Jahr tourte er intensiver. 2013 wurde er krank. Er hatte eine Mandelentzündung, die so schwer war, dass sie erst durch wiederholte, wochenlange Krankenhausbesuche geheilt werden konnte. In dieser Zeit zerstritt er sich auch mit dem Geschäftspartner, mit der er Rekids betrieb: „Das war alles unangenehm“, erinnert er sich. „Aber am Ende war die Krankheit ein Katalysator. Ich hörte auf mit dem Alkohol und dem Feiern. Bis 2013 war ich so viel unterwegs, ich war Teil dieses Karussells, dieses Zirkus. In der Woche war ich dann so erschöpft, dass ich keine Musik mehr machen konnte. Ich hatte die Motivation verloren. Doch die Ausnüchterung und die Neustrukturierung von Rekids haben mir eine Wiedergeburt erlaubt. Ich habe meine Leidenschaft wiedergefunden. Ich habe sogar wieder mit dem Skateboarden angefangen“, sagt er und sieht zufrieden aus.

Der große Sprung auf seinem Debütalbum liegt darin, dass er zum ersten Mal, bis auf ein paar Vocal-Schnipsel, keine Samples verwendet. Er habe immer Angst gehabt und sich deshalb auf die Musik anderer Leute verlassen müssen. Jetzt hat er zum ersten Mal seine eigene Klangpalette erschaffen. „Früher in Brighton habe ich mich sehr frei gefühlt und ganz unterschiedliche Sachen gemacht“, sagt Edwards. „Als ich nach Berlin zog, hatte ich viel mehr Erfolg als DJ. Da habe ich geglaubt, Teil einer Szene oder eines Genres sein zu müssen. Gleichzeitig wurde ich in eine Schublade gesteckt. Ich hatte das Gefühl, als Tech-House-Producer wahrgenommen zu werden, und bald wurde Tech-House ein Schimpfwort. Letztlich entstand diese Unsicherheit aber aus einem Mangel an Selbstvertrauen. Das hatte ich verloren, und jetzt habe ich es wiedergewonnen. Ich weiß nicht, wie die Leute dieses Album wahrnehmen werden, aber es repräsentiert mich auf eine ganz umfassende Weise.“

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