Fotos: Unbekannt; Zuerst erschienen in Groove 47 (Juni/Juli 1997).

Nach knapp zweijähriger Wartezeit scheint es nun tatsächlich soweit zu sein. New Forms, das Talkin’ Loud-Album der Bristol-Crew um Roni Size und DJ Krust steht in den Startlöchern – übrigens die erste Drum & Bass-Veröffentlichung auf Gilles Petersons ehemaligem Acid Jazz-Flaggschiff. Obwohl das Unternehmen unter dem etwas irreleitenden Projektnamen Reprazent feat. Roni Size firmiert, ist in Wirklichkeit die ganze Full Cycle-Crew an der Entstehung beteiligt gewesen. Doch Krust und Roni Size wären wohl nicht sie selbst, hätten sie nicht in letzter Minute beschlossen, aus New Forms eine Doppel-CD mit insgesamt 23 Tracks zu machen. Fast zeitgleich ist zufälligerweise V Classics erschienen – die erste Compilation von Bryan Gees und Jumping Jack Frosts Label V Recordings. Neben Londoner Kollegen wie dem alten Haudegen Ray Keith oder Dillinja und Lemon D spielen da nämlich Roni Size, DJ Krust und Co. nicht gerade eine Nebenrolle.

Das Hotel Nippon in Hamburg macht seinem Namen alle Ehre. Man hat sich wirklich Mühe gegeben, die Illusion entstehen zu lassen, man befinde sich in Japan – Themengastronomie oder so ähnlich nennt man das wohl. Roni Size und DJ Krust sind mittlerweile schon den dritten Tag auf Promotour in Deutschland, um sich im Gespräch mit den üblichen Medienvertretern den Mund fusselig zu reden. Die Übellaunigkeit des ersten Tages ist glücklicherweise wie weggeblasen. Auslöser für diese offenbar ziemlich verschärfte Verstimmung ist das Titelbild eines anderen Magazins gewesen, das die beiden in einer – ihrer Meinung nach – nicht allzu vorteilhafter Pose am Strand in Miami zeigt, und zwar nur mit Badehose bekleidet.

Wie dem auch sei, ich bin angehalten, den Namen des besagten Magazins und das Thema Miami zu umgehen. Da ich mich diplomatisch gebe und mich daran halte, steht einem netten Plausch bei Kaffee, Brandy und Marihuana fast nichts mehr im Wege – wäre da nicht die in England weitverbreitete Krankheit, Joints grundsätzlich nicht an Außenstehende weiterzureichen. Aber man ist diese Unsitte ja schon gewohnt – gerade von Dschungelisten.


Video: Roni Size / Reprazent – Brown Paper Bag

Roni Size ist ein Mann, der seinen Redeschwall, wenn er denn einmal ins Rollen gekommen ist, nicht mehr bremsen kann. Es geht ihm darum, verstanden zu werden, weshalb er den Sinn einer solchen Promo-Ochsentour auch überhaupt nicht in Frage zu stellen wagt. Es gehe ihnen dabei aber auf keinen Fall darum, lediglich das Produkt Reprazent zu verkaufen. “I’m a genuine person”, stellt er klar. “I’m talking to you on a grassroots level, man.” Und DJ Krust kann sich bei einer der wenigen Gelegenheiten, wo er mal zu Wort kommt, einen kleinen Seitenhieb auf mich nicht verkneifen: “Obwohl du hier mit deinen Zigaretten die Luft verpestest, hähähä.” Ich denke mir dabei meinen Teil und beschränke mich darauf, die beiden zu fragen, ob sie bei ihrer Kifferei ganz auf Tabak verzichten, was sie bejahen.

Reprazent war eine schwere Geburt – und zwar so schwer, daß aus dem Kind unerwarteterweise Zwillinge geworden sind. “Wir hatten einfach so viele Tunes angehäuft, daß uns eine einzelne CD zu wenig Spielzeit bot”, erklärt Roni Size. “Also entschlossen wir uns kurzfristig, zwölf weitere Tracks draufzupacken. Wir haben das Material zum Teil aus Stücken, die Krust, Suv, Die und ich während der letzten drei Jahre produziert hatten, ausgewählt. Manche sind schon drei Jahre alt, klingen unserer Meinung nach aber so frisch, als hätten wir sie eben erst gemacht. Vor allem aber passen sie genau in das Reprazent-Konzept. Und daß es überhaupt so lange gedauert hat, bis das Album in den Läden steht, liegt ganz einfach daran, daß es leider nicht damit getan ist, im Studio irgendwelche Knöpfe zu drücken. Das ganze Konzept an sich muß gut überdacht werden. Man muß sich darüber Gedanken machen, welche Leute man miteinbezieht, daß die richtigen Leute den richtigen Job übernehmen, und wie man die Sache live angehen soll. Da kommt so einiges zusammen. Für die Musik selbst haben wir im Vergleich zu dem Rest nur relativ wenig Zeit benötigt. Wir wollten halt sicherstellen, daß die Rahmenbedingungen und das Timing stimmen. Und unserem Gefühl nach ist erst jetzt der richtige Zeitpunkt für die Veröffentlichung gekommen. Oder denkst du, daß die Leute schon vor zwei Jahren für so etwas bereit gewesen wären? Ich glaube das jedenfalls nicht.”

1
2
3
Vorheriger ArtikelLen Faki
Nächster ArtikelMeine Stadt: DJ Tennis über Miami