Zuerst erschienen in Groove 161 (Juli/August 2016).

Bei einem DJ ist mir wichtig, dass er Musik spielt, die mich überrascht. Ich bin nicht unbedingt der Tänzer, sondern einer von den Typen, die in der Ecke stehen und einfach nur die Musik und den Vibe genießen. Doc Scott ist jemand, der so etwas in mir auslösen kann. Das erste Mal, dass ich ihn spielen sah, war circa 1990. Ich hob einen Flyer auf, der bereits überall auf den Straßen die Runde machte, und las meinen Namen unter einigen Oldschool-Größen und eben Doc Scott. Ich fragte mich, ob ich gemeint war, denn auf dem Flyer stand Marcus und dahinter Blackburn. Das war komisch, denn erstens komme ich aus Manchester und zweitens hatte ich noch nie etwas von dieser Party gehört. Auf dem Flyer stand eine Telefonnummer, die ich anrief, um Licht ins Dunkel zu bringen. Es stellte sich heraus, dass sie in der Tat mich meinten und gleichzeitig Leute aus Blackburn für die Party mobilisieren wollten. Damals wurden diese ganzen Raves von Gangstern veranstaltet, die keinerlei Intention hatten, irgendjemanden zu bezahlen, und lediglich Kohle scheffeln wollten.


Stream: Doc Scott B2B DJ Randall @ Sun & Bass 2016

Der Gig war dennoch großartig. 10.000 Leute ravten in einem riesigen Zelt im Norden Englands irgendwo in der Pampa, als ob es kein Morgen gäbe. Vorher hatte ich vor Crowds von vielleicht 500 Leuten gespielt – das war eine ganz andere Liga. Doc Scott hatte den letzten Slot um 6 Uhr. Sein Sound zu jener Zeit war belgischer Techno gemixt mit frühen UK-Breakbeats und ein bisschen House aus den Staaten, denn Drum’n’Bass sollte sich erst noch entwickeln. Diese dezente Melancholie, die seine Tracks umgab, fügte sich perfekt in den Morgen ein und alle drei bis vier Tracks feuerte er dann aus dem Nichts irgendein richtig ruppiges Stück ab. Joey Beltrams „Mentasm”-Remix zum Beispiel, der zu dieser Zeit gerade zu kursieren begann. Nichts von dem, was er machte, war mir in der Art schon zu Ohren gekommen. Er spielte genau die Sachen, bei denen du dir denkst: „Hey, die hab ich doch auch irgendwo stehen, warum hab ich die noch nie gespielt?” Ohne Leute wie ihn würden Szenen sich nicht weiterentwickeln.

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