Aus seiner tiefen Abneigung für die meisten MP3-DJs hat Tony nie einen Hehl gemacht. Und warum auch? Schließlich hat er sein Leben dem guten Klang verschrieben: 1977 gründete der damalige Tour-Roadie mit seinem Partner John Newsham die Firma Turbosound, in den 1980er-Jahren waren ihre Lautsprechertürme bei Konzerten von Ikonen wie Roger Waters und Dire Straits im Einsatz. 1992 verkauften die zwei das Unternehmen an AKG, um sich neu zu positionieren: Mit ihrer neuen Firma Funktion-One, deren Prototyp 2000 im Londoner Millennium Dome eingeweiht wurde, konnten sie vor
allem in der Clubszene schnell Fuß fassen.

Zur Zeit deines letzten Groove-Interviews 2008 hatte Funktion-One einen exzellenten Ruf in der Szene. Mittlerweile ist dein Soundsystem zum internationalen Clubstandard avanciert. Wie hast du das geschafft?
Die Leute schätzen unser Equipment. Wegen seinem sanften Sound und weil es kaum Verzerrung gibt. In einem Club mit Funktion-One-Anlage tun dir auch nach zehn Stunden tanzen die Ohren nicht weh. Mein Tipp: Falls deine Ohren jucken, schnell raus aus dem Laden. Das Jucken kommt gar nicht unbedingt von der Lautstärke, sondern meist von der Übersteuerung der Anlage, verursacht durch Kompressionstreiber. Die sind sehr effizient, aber unangenehm. Deshalb arbeiten wir mit vergleichsweise weicher klingenden Kegeltreibern.

Funktion-One hat viele der besten Clubs ausgestattet. Welche findest du am gelungensten, was den Gesamtsound angeht?
Cielo und Output in New York. Weil Nicolas Matar, der Gründer der beiden Clubs, verstanden hat, wie wichtig das Zusammenspiel zwischen Raum und Anlage ist. Er gibt sein Geld richtig aus: Wenige Möbel, wenig Licht, dafür steckt er die Kohle in die Anlage und schalldämpfende Materialien.

Wie stattet man einen Clubraum optimal aus?
Wände und Decke sollen die Ausbreitung des Schalls so gut als möglich eindämmen. Ich empfehle jedem Clubbesitzer, die Wände auszupolstern oder Vorhänge aufzuhängen. Wenn dir der Bass viel bedeutet, solltest du Bassfallen im Raum platzieren. Wichtig ist, dass die Wände nicht aus Glas oder Gipsverputz sind. Aber in einer rauen Fabrikhalle hast du blöderweise genau diese Situation.

Wie klappt das mit dem guten Sound dann im Berghain?
Mit unserer Anlage im Berghain bin ich sehr glücklich. Aber ich erinnere mich noch an meine erste Inspektion des Clubs: Es stank nach Kohle und die Akustik war miserabel, wie in einer Echokammer. Aber sie packten gutes Dämmungsmaterial in die Decke, das den Raum in klanglicher Hinsicht um 80 Prozent verbessert hat.

Welche Musik spielst du, um die Qualität von einem neuen Prototyp zu testen?
Zuerst spiele ich „Temptation“ von Diana Krall. Denn am wichtigsten ist die weibliche Stimme. Wenn sich eine gute Sängerin stimmlich richtig ins Zeug legt, dann klingt das nur auf einer Top-Anlage gut. Danach lege ich ein Stück von Allan Taylor auf, um zu sehen, ob auch die tiefen Stimmlagen gut kommen.


Stream: Gat Decor – Passion

Und wie sieht’s mit Clubmusik aus?
Bevorzugt teste ich mit „Passion“ von Gat Decor, einem Housetrack von 1992. Weil das Stück sehr gut aufgenommen ist und viele verschiedene Sounds enthält.

Hörst du privat aktuelle Clubmusik?
Ich liebe Funk, Disco und frühe Housemusik. Weil bei diesen Genres der Groove im Vordergrund steht. Es gibt Akkordwechsel und interessante Wendungen. Clubmusik von heute finde ich zum Großteil
zu monoton und düster. Ich kann dazu nicht tanzen.

Aber ist das nicht ein Jammer, wo deine Anlangen vor allem im Clubkontext eingesetzt werden?
Ich habe gelernt, damit umzugehen. Meine tägliche Erfahrung: Ich baue ein Soundsystem mit viel Hingabe auf, ich stelle es richtig ein – dann kommt ein Scherzbold an und legt Musik auf, zu der
niemand tanzen kann. Ist leider so.

Ist das nicht gar etwas pessimistisch?
Zugegeben, ich bin ein Musikfan der alten Schule. Ich liebte die frühe Rave-Zeit. Dieses Miteinander am Dancefloor erinnerte mich an die 1960er-Jahre. Heute wird mit dem Kopf genickt und aufs Smartphone gestarrt. Wo ist die Gemeinsamkeit, die das Tanzen früher mit sich brachte?

Unter diesem Gesichtspunkt: War es eigentlich deine Absicht, im Clubbereich Fuß zu fassen, oder ist das einfach passiert?
In den 1990er-Jahren veränderte sich der Livebereich stark: Alles wurde auf Digitaltechnologie und Bequemlichkeit ausgerichtet. Nimm als Beispiel das Mischpult XL4 von Midas, jahrelang ein Standard bei Livekonzerten, allerdings ist das Teil riesig und schwer. Plötzlich verwendeten alle diese handlichen Digitalmixer, die ich persönlich fürchterlich fand. Und diese Umstellung zog sich durch alle Bereiche! Im Club aber gab’s diesen Drang nach Bequemlichkeit weniger, weil die Anlagen ja fix installiert waren. In dieser Hinsicht bin ich der Clubszene unglaublich dankbar,
dass sie die Wertschätzung für guten Klang hochhält.

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