Fotos mit freundlicher Genehmigung von Funktion-One/Timo Steenvoorden und Shelter

Zuerst erschienen in Groove 166 (Mai/Juni 2017).

Funktion-One gilt vielen als Ferrari unter den Soundsystemen. Als Referenz für guten Klang. Diesen Ruf hat sich das Unternehmen mit lediglich 17 Mitarbeitern und einer Kleinwerkstatt in der südenglischen Provinz erarbeitet. Wie er das geschafft hat, erklärt Gründer Tony Andrews im Interview.

Eine einspurige Landstraße, gesäumt von grünen Wiesen und vereinzelten Einfamilienhäusern. Alle paar Minuten kommt ein Auto vorbei, sonst hört man hier nur Vogelgezwitscher. Wir befinden uns am Rand der Kleinstadt Dorking, eine gute Zugstunde südlich von London. Sehenswürdigkeiten gibt’s hier kaum. Die Bewohner sind stolz auf eine Hühnerart, die den Namen der Gemeinde trägt und als Wappentier des lokalen Museums herhält. Fragt man die Locals nach dem Standort von Funktion-One, erntet man Schulterzucken. Und das obwohl der hier im Ort angesiedelte Audiotechnik-Hersteller seit Jahren viele der besten Clubs der Welt ausstattet – von Space (Ibiza) über Berghain (Berlin) bis Shelter (Amsterdam). Mehr noch: Seit einigen Jahren gilt das britische Unternehmen als eine Art Standard für Clubbeschallung.

Veranstalter schreiben den Namen des Soundsystems auf ihre Flyer, teils größer als die der DJs, weil Funktion-One wie ein Gütesiegel für exzellenten Klang bürgt. 2015 listete der Rolling Stone den Firmengründer Tony Andrews sogar unter den 50 wichtigsten Personen im Bereich elektronischer Tanzmusik. Dass diesem die Ruhe um seine Firma im Heimatort aber ohnehin lieber ist als ein Denkmal, wird klar, sobald man sich dem Hauptquartier nähert. Es gibt kein Schild, keinen Hinweis, der auf ein Unternehmen hindeuten würde. Nach einem Lattentor führt ein Schotterweg zu einem einstöckigen Backsteinbau. Dort empfangen uns Tony Andrews und seine Frau Ann. „Ein Schild? Kein Bedarf. Laufkundschaft haben wir ohnehin keine“, sagt der 67-Jährige mit grauer Wuschelfrisur und langem Zopf, der sich vom Hinterkopf über seine Schulter schlängelt. „Na, bereit für eine kleine Führung?“

Das Herzstück des Unternehmens ist die Werkstatt. Auf überschaubaren 30 Quadratmetern tüfteln Tony und seine Kollegen hier an neuen Prototypen. Kartons türmen sich in Stellagen bis an die Decke, Lautsprecherchassis in verschiedensten Formen und Größen liegen zwischen Spannungsmessungsgeräten und Schraubenziehern auf den Werkbänken, über die Decke sind Seile gespannt, an denen Kabel hängen. Über der Tür prangt ein Plakat mit der Aufschrift: „Funk Or Die!“

Im nächsten Raum befindet sich eine Tischlerei, in der Jan, mit dem Tony seit 1979 zusammenarbeitet, an einem Boxengehäuse aus Birkensperrholz sägt. „Das beste Material dafür“, kommentiert er. Daneben gibt’s das Büro, in dem Ann die Geschäfte leitet, ein Lager für die Einzelteile und eines für den Versand der Boxen. Alles in allem ist die Zentrale von Funktion-One 700 Quadratmeter groß, die Firma beschäftigt 17 Mitarbeiter. Nur einen mehr als vor acht Jahren, als Groove zum letzten Mal auf Besuch bei Funktion-One war. Wie sich das mit der gesteigerten Nachfrage nach seinen Soundsystemen bewerkstelligen lässt? „Das kann ich dir gern erklären“, sagt Andrews, während er sich entspannt eine Zigarette dreht. „Aber alles der Reihe nach.“

Wie bist du zum Lautsprecherbauen gekommen?
Als ich als Teenager Stereo entdeckte, ging mir ein Licht auf. Es war der Wahnsinn: Wenn ich die Augen schloss, sah ich eine Audioleinwand vor mir! Besonders geil war die bei „Voodoo Child“ von Jimi Hendrix, der Song hat das beste Stereo-Panning überhaupt. Ich sah ihn live beim Isle-of-Wight-Festival, 1970. Ein tolles Fest, aber ich fand, dass die Anlage nicht stark genug war. Mit dieser Erfahrung setzte mein Interesse für Lautsprecher ein. Meine Idee: Hi-Fi-Anlagen für Konzerte zu bauen. Und dieser Vision bin ich bis heute treu geblieben.

Was macht eine gute Anlage aus?
Wenn es sich so anfühlt, als würdest du von einer Soundwolke umhüllt werden, wenn du das Gefühl hast, der Sound trifft dich von ganz nahe und alle Frequenzen kommen zugleich an, dann hast du’s
mit einer guten Anlage zu tun. Leute sprechen oft vom Sound eines Lautsprechers. Aber ich sage: Sound gibt es nicht. Es gibt nur Wahrheit. Beim Boxenbauen versuchst du, Verzerrungen und Verfälschungen zu beseitigen. Und wenn du das schaffst, bleibt am Ende nur Wahrheit übrig.

Wow, das klingt ja fast esoterisch.
Es ist in der Tat ein alchemistischer Prozess. Im Audiobereich ist weniger mehr. Der kürzeste Weg zwischen Schallquelle und Lautsprecher ist immer der beste. In den 1960er-Jahren verwendeten echte Hi-Fi-Fans keine Equalizer, das war total verpönt. Denn ein Equalizer verfälscht das Signal. Unser Ziel ist es, die Lautsprecher so gut zu bauen, dass Signalprozessoren überflüssig sind.

Aber hört der Normalsterbliche diese feinen Unterschiede überhaupt?
Das menschliche Gehör ist unglaublich genau. 2000 Mal präziser als der Sehsinn. Und genau deshalb will ich den Klang so sauber wie möglich halten. Wenn die Musik im Club schlecht klingt, liegt das ja oft nicht an der Anlage, sondern am DJ. Ich verbringe die Eröffnungsnächte im Space traditionsmäßig hinterm Mischpult. Und du würdest gar nicht glauben, wie viele namhafte DJs mit grottigen MP3s auflegen.

Wir wollen Namen!
Lieber nicht. Ich hebe dafür einige DJs hervor, die’s besonders gut machen. In meinen Augen sind Dave Tipper und Booka Shade die besten, was die Klangqualität angeht. Dixon und Richie Hawtin sind auch sehr gut. Was sie von vielen Kollegen unterscheidet: Sie spielen mit sehr gutem Equipment, ihre Produktionen sind gut aufgenommen, sauber und haben scharfe Kanten.

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