Elektronisches von Ambient bis Techno hat sich von Beginn an durch Klänge anderer Genreformen und anderer Herkunft inspirieren lassen. Der Umgang mit artfremden und fremdländischen Quellen war dann aber doch meist auf die eine oder andere Weise übergriffig oder banal, mit dem Extremfall der exotisierend „afrikanischen“ Samples von Yoruba-Chants auf Tech-House Maxis. Entgegen der wohlmeinenden Intentionen diverser Cratedigger Reissue-Hypes, von brasilianischer Psychedelik, Thai-Funk, klassischen indischen Ragas über Hi-Life und Afrobeat bis hin zu japanischen Videospielsoundtracks waren die Folgen des immer größer werdenden Wissens um nichteuropäische Traditionen, Avantgarden und Pop-Genres doch viel schwächer und trivialer (Stichwort „World Music“) als von allen Beteiligten erhofft.

Obwohl sich die freie und nur lose komponierte, improvisationsfreundliche Struktur vieler afrikanischer, nah- und fernöstlicher Stile doch perfekt für eine Wechselwirkung mit experimenteller Elektronik anbieten würde, gab es Begegnungen auf Augenhöhe nur in Ausnahmefällen. Aber vielleicht ändert sich das ja gerade. Zuletzt sind nicht nur afrikanische Clubmusiken wie Gqom, subsaharischer Hip Hop und arabisch inspirierter Dabke-Techno in das Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt, sondern haben auch experimentelle weniger direkt funktionale Klänge aus verschiedenen Welten zueinander gefunden.

Wie der faire Import-Export von lokalen und globalen Klängen, Produktionsweisen und Befindlichkeiten im allerbesten Fall funktionieren kann zeigt uns Luka Guindo alias Luka Productions aus Bamako, Mali. Auf Fasokan (Sahel Sounds) will er so gar nicht den Klischees des großstädtisch toughen Hip-Hop Produzenten und Garagenstudiobetreibers entsprechen, der er hauptberuflich ist. Auf diesem Album, seinem ersten das als Tonträger dann auch international halbwegs einfach zugänglich ist, holt sich Luka die Sounds des achtziger Jahre New Age zurück, von Brain Eno, Laraaji oder dem Penguin Café Orchestra und reichert sie mit seiner eigenen urban-digitalen Beat-Tradition, wie auch mit Stimmen der ländlichen Griot-Tradition an. So schafft er ein sanftes und äußerst jetztzeitiges Ambient Album, das es locker mit den Klassikern des Genres aufnehmen kann und dabei noch ziemlich singulär und neu ist, was sich aber – wie oben noch als Hoffnung ausgedrückt – gerade ein wenig ändert.


Stream: Luka Productions – Yelen

Ein wunderbar widerspenstiges Beispiel gibt der faszinierende Überforderungs-Style auf der EP Klabb (Infiné) der tunesischen Produzentin Deena Abdelwahed. Ihre unmissverständliche Anti-“World Music” im Collagen-Style konfrontiert Stimmsamples mit elektronischer Percussion-Trance auf einer derben Beat-Grundierung. Wie DJ /rupture Jace Clayton in seinem feinen Theoriebüchlein Uproot betont, ist das Besondere immer lokal und spezifisch. Lokales, das Elemente der globalisierten Technologie und Kultur aufgenommen hat, mit ihr wechselwirkt und gegebenenfalls auch missbraucht. So schreddert Abdelwahed Samples von tunesischen Aktivisten, zitiert die hiesige Queer-Community aber ebenso auch traditionelles, wie die Trance-induzierenden Klänge der Sufis, einer zurzeit immer mehr in die Defensive geratenden mystischen Variante des Islam. Dieses kurze heftige Debüt ist komplex, fordernd, hochpolitisch dabei aber nie eindimensional pädagogisch. (Hier geht es zu Abdelwaheds Groove-Podcast)


Stream: Deena Abdelwahed – Klabb V2

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