Du meintest in deinem Resident Advisor Exchange, dass du den Drang verspürst, jeden Tag ins Studio zu gehen – auch wenn dabei nichts Verwertbares herauskommt. Geht es dir immer noch so?
Shaw: Ich glaube da immer noch dran, ja. Auch wenn ich weiß, dass es nicht für jeden funktioniert. Freunde von mir, die auch produzieren, arbeiten zum Beispiel gar nicht auf diese Art. Die gehen manchmal monatelang nicht ins Studio, und wenn sie dann einmal im Studio sind, sind sie unglaublich produktiv. Und alles was sie machen scheint einfach unglaublich zu sein, und das macht mich ein bisschen verrückt. Teilweise schreibe ich monatelang nichts, was ich für so gut befinde, um es anderen zu zeigen. Aber ich habe auch das Gefühl, dass ein gewisses Maß and trial and error und Sinnsuche sehr wichtig ist für jede Art von KünstlerIn. So habe ich etwa gelernt, mein Modularsystem zu benutzen, indem ich einfach jeden Tag im Studio saß und Kabel eingestöpselt habe. Und so habe ich auch herausgefunden, was ich mit meinem Album sagen will. Es hat eine ganze Weile gedauert, aber so habe ich die Sound-Palette gefunden, die ich benutzen wollte. Ich glaube da also definitiv noch dran.

Hast du denn Strategien, um mit kreativen Blockaden umzugehen?
Shaw: Nicht wirklich, ich bin wirklich schlecht darin, sie zu bewältigen. (lacht) Ich glaube nicht, dass ich der Einzige bin, dem es so geht, aber unglücklicherweise – und es ist definitiv unglücklicherweise – ist mein Selbstwertgefühl komplett daran gekoppelt, wie ich meinen kreativen Output einschätze. Nicht unbedingt was andere davon halten, es geht dabei eher darum, aus dem Studio rauszugehen und sagen zu können: „Das hat gut getan.“ Wenn ich das Studio in dem Zustand verlassen kann, bin ich total glücklich, oder zumindest nicht unglücklich. (lacht) Wenn ich allerdings auf eine Blockade treffe, diese Art Mauer, werde ich unglaublich deprimiert. Das Problem ist, dass das zu einem selbsterhaltenden System wird: Du wirst deprimiert – und obwohl es diesen Mythos, dass unglückliche MusikerInnen großartige Musik machen – ich kann dann gar keine Musik machen. Es wird zu einer Feedback-Schleife. Das beste was du dann manchen kannst, ist die Maschinen auszumachen, Abstand zu nehmen und vielleicht einen Film anzusehen, von dem du weißt, dass er dich inspiriert. Oder geh vielleicht in eine Galerie, schau dir eine Ausstellung an. Einfach irgendetwas, was deine Kreativität befeuert, irgendetwas um eine andere Perspektive zu bekommen. Allerdings befolge ich auch nicht immer meine eigenen Ratschläge, und meistens sitze ich einfach wochenlang deprimiert da.

Du meintest einmal, dass dir Glaube und Religion eine Menge Inspiration geben. Würdest du dich selbst als religiöse Person bezeichnen, oder inspiriert dich nur das Konzept von Glaube und Religion?
Shaw: Also ich würde sagen, dass ich nicht im konventionellen Sinne religiös bin. In der Vergangenheit habe ich mich allerdings definitiv viel mit Religion beschäftigt. Denn in meiner Schulzeit musste ich zweimal die Woche in die Kirche, und als Teenager habe ich gegen diese organisierte Form von Religion rebelliert. Das Positive daran war, dass ich mich dadurch mit anderen Religionen auseinandergesetzt habe als der, die mir meine Schule aufgezwungen hat – alles von Buddhismus, Hinduismus, jeder Aspekt des Glaubens, auf den sich Menschen einlassen, fing an, mich zu faszinieren. Ich würde also nicht sagen, dass ich eine religiöse Person bin, aber Glaube und Religion üben eine wahnsinnig starke Faszination auf mich aus. Ich finde, ein Teil der unglaublichsten, schönsten Kunst hat ihren Ursprung im Glauben. Natürlich ist es einfach, Glaube und Religion zu belächeln. Insbesondere für jemanden der sozusagen Atheist ist. Aber wenn ich ganz ehrlich bin: Ich würde mir wünschen, dass ich an etwas Anderes glauben könnte als das, was wir direkt um uns herum ist. Aber leider kann ich das nicht. Zwischen dieser Anbetung und Musik beziehungsweise Club-Kultur lassen sich ja auch Parallelen erkennen: Du hast einen Raum mit tausend Menschen, die gemeinsam Musik erleben. Das ist finde ich eine Rolle, die Religion und Glaube über Tausende von Jahren gespielt hat. Religion ist so mächtig oder war so mächtig, weil sie diese Euphorie ermöglicht, die du hast, wenn du deine Gefühle mit einer großen Zahl von Menschen teilst. Wenn du vor 300, 400, 500, 600 Jahren in der Kathedrale warst und dem Chor zugehört hast, war das einfach eine Erfahrung, die man als Normalsterblicher nur einmal die Woche in der Kirche machte. Das war sicherlich mitreißend und fremdartig, auf eine seltsame Art und Weise, unglaublich schön. Und das mit Tausenden anderen zu teilen, die in diesem Moment genau das Gleiche fühlen, war bestimmt unglaublich kraftvoll. Ich denke, das ist das gleiche Gefühl das man in einer perfekten Nacht auf der Tanzfläche hat, wenn ein fantastischer DJ spielt.

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