Und was unterscheidet Villalobos von einer herkömmlichen Musikerdokumentation?
Ich verzichte auf kommentierende Erzählung oder Bildlegenden und lasse auch nicht Menschen, die Ricardo nahestehen, über ihn reden. Ich arbeite monografisch, es sprechen nur die Bilder und Ricardo. Zudem: Warum sollte ich einen Sprecher einsetzen, wenn Ricardo alles so charmant auf den Punkt bringt? Er ist sehr eloquent – wenn er zum Beispiel beschreibt, wie ein Lautsprecher funktioniert. Da habe ich es auch zum ersten Mal verstanden! Er besitzt eine wunderbare pädagogische Gabe.

Viele Leute denken, Villalobos sei eine Fortsetzung von „Titten, Techno und Trompeten“.

Mit dieser monografischen Methode zeichnest du ein anderes Bild von Clubkultur als ein Film wie beispielsweise Berlin Calling.
Ja, das ist richtig. Viele Leute denken, Villalobos sei eine Fortsetzung von „Titten, Techno und Trompeten“. Aber mein Film ist kein weiterer Treppenabsatz in den Partykeller. Ich habe Berlin Calling neulich mal gesehen, da mich viele Festivalveranstalter auf meinen Film angesprochen haben, weil sie mit Berlin Calling einen so großen Erfolg hatten. Ich musste aber feststellen, ganz unabhängig vom Soundtrack, dass das überhaupt kein Film über elektronische Musik ist. Es ist ein Film über einen Typen mit Drogen- und Beziehungsproblemen. Und er funktioniert wohl deshalb so gut für die Zuschauer, weil er ihnen ihre Vorstellung – wohlgemerkt: mit den Mitteln des Spielfilms – bestätigt, wie sie sich das Leben eines DJs vorstellen: Reisen, Sex mit zwei Frauen, während einer Therapie das beste Album produzieren, und immer Leute um einen herum, die sich um einen kümmern.

Was für ein Publikum wünschst du dir denn für Villalobos?
Ich mache so einen Film nicht allein für die Leute, die immer alles wissen. Ich mache den Film genau so für meine im Ausland lebende Mutter wie für Ricardos Vater oder Freunde in Argentinien, die sich eine Reise nach Europa nicht leisten können. Aber auch für jeden, der keine Ahnung hat von dem, was Ricardo macht. Es gibt zum Beispiel diesen Moment, wo wir nur den Sound von Ricardos Kopfhörern hören. Da kapiert man vielleicht, in welchem Soundgewirr sich ein DJ orientieren muss. Ricardo hatte diese schöne Idee, das zu zeigen. Durch sie bekommst du die Möglichkeit, mehrere verschiedene Tonebenen zu hören. Manchmal läuft das parallel, und dann merkst du, dass der neue Track, den er vorbereitet, schon im selben Rhythmus wie der vorhergehende läuft und die Leute im Bild zum Rhythmus eines Stücks tanzen, das sie noch gar nicht hören können. Man fragt sich in diesem Moment schon, wie das im Kopf eines DJs so alles verarbeitet wird.

Stand schon vor den Dreharbeiten fest, dass dich vor allem solche Dinge interessieren? Du hättest ja auch Ricardos Privatleben beleuchten können.
Ich glaube, du erfährst mehr über eine Person, wenn du ihr bei der Arbeit zuschaust. Du erfährst, wie sie denkt, was sie fühlt, was ihr wichtig ist, wo sie steuert, wo nicht. Und das auf eine subtile Art. Ich wollte nur zugucken, was er macht. Es soll ja auch kein allumfassendes Bild von ihm sein. Ich blicke auf Ricardo Villalobos zu einer bestimmten Zeit: im September 2008. Und es ist auch ein Film über das Hören, die Leidenschaft für die Musik, die Suche nach Klängen. Er zeigt einen Künstler, der das Eigenleben der Maschinen erkundet. Auf dem Weg zu einem perfekten Sound, dessen Ursprung in der Vergangenheit liegt.

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