Fotos: Greg Swales (The Martinez Brothers)

Zuerst erschienen in Groove 162 (September/Oktober 2016).

Die Thronprinzen von Ibiza, die Gralshüter des New-York-Sounds, die Disclosure des Underground-House: The Martinez Brothers sind derzeit in aller Munde. Wir haben das Brüderduo bei seinem Gig in London getroffen, um seiner wahren Berufung auf die Schliche zu kommen.

Die Nacht ist warm. Die Straßen des Hipster-Viertels Shoreditch in Ostlondon sind nach Mitternacht belebter als untertags. Hübsche junge Menschen drängen auf den Gehsteigen von einer Bar zur nächsten, viele veranstalten mit Dosenbier und Smartphone-Lautsprechern ihre eigenen Spontan-Partys im Freien. Vor dem Club XOYO wächst die Schlange seit Stunden. Das liegt zum einen an der für Londoner Verhältnisse späten Sperrstunde des Ladens von 4 Uhr, zum anderen steht heute ein Duo im Programm, das sich schon länger nicht mehr in der Stadt hat blicken lassen: The Martinez Brothers.

Das junge New Yorker Brüderpaar – Steve ist 27, Chris 24 Jahre alt – hat sich über die vergangenen acht Jahre einen respektablen Ruf in der Szene erspielt. Einerseits genießen die zwei den Support von House-Legenden wie Dennis Ferrer, andererseits sind sie die neuen Platzhirsche auf der Party-Insel Ibiza. 2014 wurden sie von den Mixmag-Lesern zu den DJs des Jahres gewählt. Die Anmerkung zum Siegertitel: „Kein anderer DJ bringt den House-Sound der Stunde so sehr auf den Punkt wie die Kronprinzen des DC10.“


Stream: The Martinez Brothers & Martin ButtrichAffection Deficit Disorder

Es ist 1.40 Uhr, der Gig des Duos sollte in 20 Minuten beginnen, doch von den Brüdern fehlt noch jede Spur. Der Promoterin steht leichte Anspannung ins Gesicht geschrieben. Vermutlich um sich selbst zu beruhigen, murmelt sie: „Alles klar, kein Problem, sie sollten jeden Moment eintreffen.“ Und sie sollte recht behalten: Fünf Minuten später parkt ein schwarzer Van vor dem Clubeingang mit dem orangen Neonschild. Die Schiebetür geht auf, zwei schlaksige lange Typen springen heraus. Einer mit Sonnbrille, der andere mit Baseballkappe – verkehrt herum aufgesetzt. Als sie die lange Schlange sehen, grinsen sich die Martinez Brothers gegenseitig an: „Dooope, duuude!“ Auf dem Weg ins Untergeschoss, wo sich der Mainfloor des Clubs befindet, erklärt Steve die verspätete Ankunft: Vor fünf Stunden legten die beiden noch auf einem Festival in Wales auf. „Geil war’s, 2000 Leute, Killer-Atmosphäre“, sagt er aufgekratzt, während ihn ein Security-Typ am Publikum vorbei in Richtung DJ-Kanzel lotst. „Danach machten wir uns eigentlich direkt auf den Weg nach London. Aber der Abstecher zu Nando’s [südafrikanische Fastfood-Kette, Anm. d. Red.] hat länger gedauert als gedacht.“

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