Foto: Patrick Morarescu (The Notwist)

Der schwere deutsche Akzent, die leichtfüßigen Rhythmen, das freundlich-warme Gitarrenspiel: The Notwist sind eine Anomalie in der elektronischen Musik und im Indie-Rock zugleich, weil sie nie voll und ganz zu einer dieser beiden Welten gehörten. Stattdessen baute die Band um die Acher-Brüder Markus und Micha Brücken, an denen sie auch 27 Jahre nach ihrer Gründung fleißig weiterwerkeln. 2003 begannen sie, auf dem selbstbetriebenen Label Alien Transistor neue Acts um sich zu scheren und kuratierten kürzlich in München ein Festival, welches eben jene Acts mit anderen auf die Bühne brachten. Der Titel des Festivals, Alien Disko, wurde auch zum Motto von Markus Achers Mix für den Groove-Podcast. Zeit, sich mal ein bisschen über Vergangenheit und Zukunft von The Notwist zu unterhalten.

 


 

In mehr als 26 Jahren The Notwist hat sich euer Sound wieder und wieder entscheidend geändert. Gab es bei euch jemals einen Plan, und wenn ja, wie sah dieser aus?
Nein, eher das Gegenteil. Der einzige Plan war, Platten zu machen, die wir uns selbst gerne anhören würden. Und keinen Plan zu haben, so gesehen.

Die internationale Öffentlichkeit wurde 2001 auf euch aufmerksam, als ihr mit Neon Golden einen weltweiten Erfolg verzeichnen konntet. Gibt es Alben in der früheren The Notwist-Diskografie, die deiner Meinung nach zu Unrecht vernachlässigt wurden? Einige alte Stücke sind ja nach wie vor Teil eures Live-Repertoires.
Ich mag die erste Platte nach wie vor sehr gerne. Ich mag aber auch die Platten, aus der wir die Teile zusammengeklaut haben, sehr gerne. Wir haben immer versucht, das bestmögliche aus den Stücken zu machen, die wir so hatten. Die Stücke “Torture Day” und “12” waren aber tatsächlich die ersten, auf denen wir versucht haben, etwas anders zu machen und mit Räumen und Improvisationen zu arrangieren. Aber wie gesagt, da habe ich gar keine Präferenzen.

Eure letzten beiden The Notwist-Veröffentlichungen hatten Dokumentcharakter. Auf Messier Objects fanden sich ähnlich wie bereits auf Music For “Storm” Theater- und Hörspielproduktionen und mit Superheroes, Ghostvillains + Stuff ist ein umfangreiches Live-Album. Wie passen solche Projekte eigentlich in das Konzept einer Band wie The Notwist?
Beide Sachen haben zur Zeit gerade sehr gut gepasst, weil sie etwas zeigen, was auch wichtiger Teil von Notwist ist, über was wir immer auch in Interviews geredet haben, aber nie so gesammelt zu hören war. Also die meistens instrumentale und experimentellere Musik für Theater, Filme und Hörspiele, und das Live-Spielen, wo wir versuchen Stücke weiterzudenken und -arrangieren. Trotzdem sollten das aber eher eigenständige Platten, als reine Dokumentationen sein. Also auch ohne Erklärung oder Kontext gut zu hören.

Nach einigen Herbstterminen werdet ihr im Februar erneut auf eine ausgedehnte Tour gehen, die euch wieder ins Leipziger Conne Island führen wird. Was verbindet euch als Punk-sozialisierte Band heute noch mit solchen alternativen Projekten?
Sehr viel. Alle die Ideen, eine Alternative zu schaffen, und Dinge zusammen und anders zu machen, sind uns nach wie vor sehr wichtig. Vieles ist natürlich viel schwieriger, und oft klappt es auch nicht und wird kaputtdiskutiert. Aber wir kommen immer wieder an Orte und Menschen, die ganz toll sind und zeigen, dass es auch anders gehen könnte auf der Welt!

Dein Mix für den Groove-Podcast trägt den Untertitel Alien Disko, was zugleich auch der Name eines von euch organisierten Festivals ist. Wie habt ihr die Acts für das Festival ausgesucht?
Das sind alles Lieblingsbands. Wir haben versucht eine Bandbreite aus Experiment und Pop zu schaffen,und nur Bands bzw. Künstler zu fragen, die in ihrer Musik keine Grenzen respektieren und Genres aufbrechen. Alle, die gespielt haben, haben sehr spannende und eigene Musik gemacht. Zwei wunderbare Abende!

Alien Disko ist nicht nur dem Namen nach eng an das von dir mitbegründete Label Alien Transistor angelehnt, wo seit 2003 nicht nur viele eurer Neben- und Soloprojekte, sondern auch Platten von The Notwist erschienen sind. Welchen Ansatz verfolgt ihr mit dem Label?
Wie der Name auch andeutet, geht es eigentlich um das Hörbarmachen oder Verstärken von ungewöhnlicher, vielleicht erstmal fremder Musik. Uns ist aber auch wichtig, dass wir mit den Bands entweder persönlich befreundet sind oder uns gut mit ihnen verstehen und ähnliche Ideen haben. Weil wir damit kein Geld verdienen, ist das eigentlich viel zum Spass, und weil wir eben in erster Linie große Fans der Musiker/innen sind, und die Platten selbst gerne kaufen würden.

Zuletzt erschien von dir das Album A Beat Of Silence unter deinem Pseudonym Rayon, um Projekte wie 13 & God, Tied & Tickled Trio oder auch Lali Puna war es in den letzten Jahren verhältnismäßig still. Was können wir von dir – und eventuell auch The Notwist – in der näheren und fernen Zukunft erwarten?
Wir arbeiten an neuer Notwist-Musik, sowohl für ein Album, aber auch für eine Serie. Ausserdem wird es von diversen Nebenprojekten auch wieder neue Platten geben. Das ist aber noch zu unkonkret, als dass ich es genau benennen könnte.

 


Stream: The NotwistGroove Podcast 86

01. Machinefabriek – Vergezichten 1
02. MimiCof – Spins
03. Jam Money- Bubbled Other
04. 1115 – The Drowned World 1
05. Joasihno – Grounds
06. Protein – Green
07. Byul.Org – A Customer
08. The Notwist – They Follow Me
09. Saroos – Weavers Cave
10. Alien Transistor – LoopD
11. Le Millipede – Lenity
12. You & Your D.Metal Friend – Sonnier 6
13. The Tenniscoats – Kyoku Wa Mirai
14. Rayon – Dots

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Kristoffer Cornils war zwischen Herbst 2015 und Ende 2018 Online-Redakteur der GROOVE. Er betreut den wöchentlichen GROOVE Podcast sowie den monatlichen GROOVE Resident Podcast und schreibt die Kolumne konkrit.