Foto: Sunny Pudert (Uta)

Teil des Features Digging im digitalen Zeitalter aus der Groove 163 (November/Dezember 2016).

Mit welchem Medium legst du hauptsächlich auf?
Hauptsächlich lege ich in Clubs mit Vinyl auf, sagen wir mal zu 85% und dann ca. 15% USB. Es kommt aber immer auf den Anlass und die Länge des DJ-Sets an. In meiner Radioshow auf Berlin Community Radio zum Beispiel lege ich manchmal zu 80 % mit USB auf, weil ich dann viele unveröffentlichte Tracks spielen möchte, um den Hörern ein gewisses Maß an Exklusivität zu bieten oder um auf bestimmte Produzenten aufmerksam zu machen. Generell ist es mir sehr wichtig, dass sich meine Radio-Sets von meinen Club-Sets unterscheiden. Wenn ich genug Geld hätte, würde ich die für mich wichtigsten Tracks, die ich in Digitalformat habe, als Dubplates schneiden lassen.

Gehst du noch regelmäßig in Plattenläden?
Ja, absolut. Ich bin froh, dass es in Berlin so viele gute Plattenläden gibt.

Wie entdeckst du alte Musik?
Da ich mich für sehr viele Musikstile interessiere, digge ich quasi fast jeden Tag nach alter Musik, meine Ohren sind immer für gute Musik empfänglich. Das kann dann zum Bespiel über Freunde, Discogs, Facebook, Youtube oder Spotify sein. Am liebsten höre ich mir Radiosendungen an, Stationen wie zum Beispiel BBC 6, Rinse FM oder auch alte Pirate-Radio-Mitschnitte. Natürlich gehe ich zum Diggen leidenschaftlich gezielt in Plattenläden, dazu nehme ich mir dann besonders viel Zeit und muss einen freien Kopf haben. Das ist dann mein ganz persönliches Ritual, um mir selbst etwas Gutes zu tun. Ich liebe es stundenlang nach alter Musik zu suchen, Kaffee zu trinken und mich mit den Plattenverkäufern zu unterhalten. Ich stelle mir dabei ganz oft die Frage, durch welche Hände diese Platten gegangen sein müssen.

Hat sich und wenn ja: wie hat sich Digging deiner Meinung nach verändert?
Ja, das Digging hat sich auf jeden Fall verändert. Früher hat man Reviews durchgelesen, den DJ im Club gefragt oder ist durch Underground-Radiosendungen auf bestimmte Musik gestoßen. Anfang der 90er hat MTV Europe, damals in London, gewisse Sendungen ausgestrahlt hat, die mich zum Musik kaufen animiert haben. Dadurch ist man dann meistens in den Plattenladen des Vertrauens gegangen und hat danach gesucht oder war einfach nur dort um neue Musik zu finden. Damals konnte man auch viele tolle Platten zu soliden Preisen auf Flohmärkten finden. Mehr Möglichkeiten gab es kaum. Heute komme ich problemlos über unzählige Kanäle im Internet an Musik beziehungsweise an musikalisches Wissen. Das ist ein großer Vorteil. Ich kann dadurch auf Musik aus fast allen Ländern dieser Erde zurückgreifen. Past, present, future! Und nicht nur das, ich werde durch die sozialen Medien auch auf unbekannte Künstler aufmerksam, die teilweise nicht die Möglichkeit haben ihre Musik auf Vinyl zu veröffentlichen. Ich bin ein sehr großer Fan von Bandcamp. Negativ finde ich, dass die Preise bei Discogs teilweise künstlich hochgetrieben werden und dass einem dadurch einige Musik unzugänglich gemacht wird, mir jedenfalls. Ebenfalls schade finde ich, dass sich einige Used-Vinyl-Plattenläden 1:1 an diesen Preisen orientieren. Ich kann die Händler bis zu einem gewissen Punkt verstehen, aber ab einem gewissen Preisniveau verdirbt es mir einfach den Spaß. Ich bin auch keine Sammlerin im klassischen Stil. Platten sind mein Werkzeug als DJ. Musik, die ich gekauft habe, will ich mit Menschen teilen und nicht im Regal einstauben lassen.

Geht das überhaupt: Digital Digging?
Klar geht das, und wie! Rechner an und los geht es.

Wenn du reist, nimmst du dir vor/nach deinen Gigs Zeit, in Plättenläden zu diggen?
Wenn es die Zeit zulässt, immer! Es gibt für mich nichts Schöneres, als in anderen Städten / Ländern nach Musik zu suchen und dadurch mit Menschen in Kontakt zu kommen, die Musik genauso lieben wie ich.

Kann man auf Flohmärkten noch fündig werden und ist das ein Relikt aus vergangenen Zeiten?
Ja, man kann sogar sehr gut auf Flohmärkten fündig werden. Es kommt natürlich darauf an wo man hingeht und wie breit gefächert die Liebe zur Musik ist. In Berlin ist es allerdings sehr schwer geworden auf Flohmärkten auf Platten zu guten Preisen zu stoßen. Die meisten Händler wissen um ihr schwarzes Gold und die Preise sind dann ähnlich hoch wie bei Discogs oder im Plattenladen. Es ist aber auch schon mal vorgekommen, dass die unwissende Freundin von DJ XY „versehentlich“ ein paar rare Dance-Mania-Scheiben für 5 Euro verkauft hat.

In welchen Plattenläden/auf welchen Flohmärken diggst du am liebsten?
Am liebsten digge ich ein bisschen abseits vom Trubel. Alles andere wird mir dann zu viel. In Berlin gehe ich nach wie vor gerne zu Hardwax und Audio-In. Am allerliebsten gehe ich an einem Samstagvormittag mit einem Kaffee gemütlich zu Fashion Killers in meiner Straße in Kreuzberg. Mit ein bisschen Glück findet man sogar auf dem Flohmarkt am Rathaus Schönberg ein paar gute Scheiben. In Bristol gehe ich total gerne zu Prime Cuts, The Centre For Better Grooves und in Zürich zu Zero Zero.

Vorheriger ArtikelDigging im digitalen Zeitalter
Nächster ArtikelHelena Hauff