Das Beschallen eines Clubs stellt nicht nur an die Lautsprecher höhere Anforderungen als das Beschallen eines durchschnittlichen Wohnzimmers. Wenn Musik mit 20.000 Watt aus den Lautsprechern jagt, müssen sämtliche beteiligten Komponenten aufeinander abgestimmt sein, sonst wird aus dem Ausgangssignal sehr schnell ohrenbetäubender Klangbrei: Neben der jeweiligen Raumakustik (auf die der Text von Daniel Wang näher eingeht), sind auch die Qualität des Tonsignals, der Tonabnehmer, das Mischpult, die Verstärker und die Positionierung der Lautsprecher im Raum von Bedeutung. Um eine größtmögliche Kontrolle und ein reibungsloses Ineinandergreifen sämtlicher Komponenten zu gewährleisten, gibt Funktion One darum, wenn erwünscht, seinen Kunden eine Rundum-Beratung. Dabei suchen die Experten auch nach ungewollten Verzerrungen, dem größten Feind eines als angenehm wahrgenommen Klangs. Die Verzerrungen entstehen entweder durch Eigenschwingungen von Objekten, die sich im Raum befi nden, oder durch Equipment, das den ursprünglichen Frequenzgang nicht getreu wiedergibt. Sie fügen dem Ausgangssignal Frequenzen hinzu, die im Quellmaterial gar nichtvorhanden sind. Die Musik wird dadurch unmusikalischer empfunden. Und nicht nur das: Ungewollte akustische Verzerrungen sind – neben zu hoher Lautstärke natürlich – schädlich für das Gehör. Und sie schlagen sich auf die Stimmung der Tänzer nieder. Der Funktion-One-Chef Andrews hat beobachtet, dass die Leute dadurch auf sich selbst zurück geworfen werden: „Sie gehen in sich anstatt aus sich heraus“, sagt er. „Der Unterschied zu sauberem Klang ist wie der Unterschied zwischen grässlichem Wetter und einem sonnigen Tag: Beides ist Wetter, aber das eine schlägt aufs Gemüt, das andere hebt die Laune.“ Für Andrews liegt die Abstimmung der Lautsprecher irgendwo zwischen Kunst und Wissenschaft. Zuviel persönliche Vorliebe verändere das Ergebnis zu stark in eine Richtung. Aber eine rein auf Messwerte setzende Ausrichtung erfasst seiner Meinung nach nicht den gewünschten Gesamteindruck. Eine gute Anlage sei am Ende ein bisschen wie ein gut komponierter Cocktail: So, wie man den Alkohol nicht herausschmecken sollte, sollte man die Lautstärke nicht als laut wahrnehmen. Beides ist nicht ungefährlich. „In den Ohren sollte es niemals klingeln“, sagt Andrews. „Und wenn sie anfangen zu jucken, ist das eine Warnung dafür, dass unwiderruflich ein paar der sensiblen Haarzellen zerstört wurden.“

Der gute Ton gehört bei Funktion zum guten Ton.
Der gute Ton gehört bei Funktion zum guten Ton.

Andrews macht keinen Hehl daraus, wie enttäuscht er über das in seinen Augen gesunkene Wahrnehmungsvermögen vieler Menschen ist. Die fortschreitende Digitalisierung empfindet er als Barbarei. „Man sollte dafür kämpfen, MP3s wieder aus den Clubs zu verbannen“, schimpft er. „Die sind vielleicht okay für den Heimgebrauch, aber auf einer großen Anlage ist der Mangel nicht zu überhören.“ Es spreche doch nichts dagegen, statt MP3s die besser klingenden, aber größeren WAV-Dateien zu benutzen – Speicherplatz sei schließlich billig. Andrews betont außerdem, dass er nicht mit jedem gewillten Interessenten Geschäfte machen muss. Ihm sind ein grundsätzliches Verständnis und die Anerkennung seiner Klangphilosophie wichtig. Dann könne man über das Geschäftliche reden.

Tony, wie wichtig ist dir der Klang deiner Umgebung?
Das erste, wonach man beim Sound Ausschau hält, ist die eigene innere Balance. Es ist faszinierend, wie hoch aufgelöst unser Gehör ist. Es ist unserer visuellen Fähigkeit deutlich überlegen.
Selbst wenn wir uns nur zwei Grad in eine bestimmte Richtung bewegen, können wir das akustisch registrieren. Wir verarbeitenständig unbewusst akustische Informationen, wir wissen, ob wir uns außerhalb oder innerhalb eines Raums befinden und auch, wie dieser beschaffen ist. All diese Information bekommen wir von unserem Gehör – das zudem noch für unseren Gleichgewichtssinn zuständig ist.

Wie kam es, dass ihr euch mit Funktion One von Anfang an auf die Beschallung von Veranstaltungen mit elektronischer Tanzmusik spezialisiert habt?
Weil ich Tanzmusik immer mochte, deren Inhaltslosigkeit und die klare Trennung von Höhen und Tiefen. Ich habe das erste Turbosound-System zum Beispiel mit Musik von James Brown entwickelt. Bei Rockbands sind alle Frequenzen in die Mitte gepackt, es ist letztendlich nur Weißes Rauschen. Für sie muss es immer ein Line Array (ein Beschallungssystem, bei dem die Lautsprecher
übereinander angeordnet sind, Anm. d. A.) sein, ansonsten blocken sie ab. Die Dance-Leute interessieren sich dagegen nur dafür, ob der Klang ihre Moleküle wirklich zum Schwingen bringt. Und das funktioniert oft ganz irrational.

Spiritualität fängt für Tony Andrews in den Ohren an.
Spiritualität fängt für Tony Andrews in den Ohren an.

Hast du noch Bezug zur aktuellen elektronischen Musik?
Meine Lieblingsmusik ist House aus den Jahren 1985 bis 1990. House war kraftvoll, hatte Tonarten-Wechsel und einen Rhythmus. Vor über zwanzig Jahren haben die Leute einfach ein Soundsystem auf die Wiese gestellt und gefeiert. Meine Frau Ann und ich waren damals viel unterwegs und hatten den größten Spaß seit den Rolling Stones 1969. Die Leute haben sich ihren Raum zurückerobert und getanzt wie die Bekloppten. Sie waren glücklich – auch und gerade weil es keine Star-DJs gab. Und was passierte? Kurze Zeit später simulierten sie das Rock’n’Roll-Modell mit Stars auf der Bühne und passivem Publikum davor. Nach nur fünf Jahren der Freiheit wurden DJs zum Band-Ersatz, es wurde einem neuen Götzen gehuldigt. In Wirklichkeit geht es doch um uns, die Tänzer! Wir sollten das Ganze genießen und all unsere Energie geben.

Ein gemeinsames Sounderlebnis hat also einen befreienden Aspekt für dich?
Musik spricht direkt die Seele der Menschen an. Sie erreicht dabei Gegenden, die sonst kaum etwas erreicht – abgesehen von Religion vielleicht, und das ist nur eine Entschuldigung für Gedankenkontrolle. Musik ist ein Ort, an dem Menschen Kontakt zu ihrer Spiritualität finden. Und niemand kann sie für sich reklamieren oder ein Etikett draufkleben, sie ist nicht Teil einer
Idee, die Massen zu kontrollieren. Darum ist Musik so wichtig.

Die Überlegungen des DJs Daniel zu Klang im Club aus derselben Groove-Ausgabe könnt ihr hier lesen. Wie ein perfekt ausstaffierter Club heute auch ohne Funktion One klingen kann, beweist das Elysia in Basel.

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