Auf dem kalifornischen Coachella-Festival wurde Jamie XX kürzlich dafür kritisiert, das er bei einem DJ-Set einen Song der Band Tame Impala gespielt hat. Bemängelt wurde, das er als Prdouzent doch auch nur eigene Tracks, Remixe und Edits spielen könnte.
Nee, das geht natürlich auch nicht. Macht der jetzt was er will oder was? Tja , also ich bin wirklich froh über alle großen DJs, die Peak-Time-Slots spielen und etwas anderes machen als alle anderen. Leute wie James Holden oder Four Tet, das sind für mich DJs, die gegen das Beat-Synch-Joch anstinken. Ich freu mich auch über ausgespielte genreferne Stücke, die nicht mit funktionalen Edits aufgepumpt werden, mit extra Shakern, die durchrascheln und fetter Bassdrum drunter. Das ist doch angstgetrieben. Da hat der DJ Angst, dass die Leute sich die Jacke holen und abhauen, nur weil die Bassdrum mal fünf Minuten nicht das treibende Element ist. Wenn man mutig ist, etwas in die Waagschale wirft und sich auf’s Glatteis begibt, dann strahlt man das auch aus. Und die Leute wollen ja auch gar nicht, dass das Eis einbricht, die wollen ja, dass es gut wird, die helfen dir und belohnen dich auch. Richie Hawtin wird in einem Set nie ein Fehler passieren, da wird niemals ein Beat aus dem Takt laufen, das ist ein an der Linie gezogener Power-Pressure-Balken. Das finde ich nicht spannend.

Hast du das Gefühl, dass sich die Publikumserwartungen geändert haben? Das zum Beispiel erwartet wird, dass ein DJ auch seine eigenen Stücke spielt?
Ich weiß nicht, ob sich das Publikum in der Hinsicht verändert hat, aber ich komme da langsam hin und mache das manchmal. Früher hab ich nie meine eigenen Tracks gespielt, aber ich ticke ja selbst so. Wenn ich zu einem DJ-Set von Jamie XX gehe, würde ich mich auch freuen, wenn der „Loud Places“ spielt. Wenn mir ein Stück etwas bedeutet, wenn das in mir eine Liebe ausgelöst hat, dann möchte ich das auch einmal zusammen mit dem Komponisten im Raum erfahren. Das kann ein besonderer Moment sein. Meine Freundin meinte mal nach einem Set von mir: ‚Du musst dich doch gar nicht so abmühen und hier rumschrauben, die Leute wollen das und das Stück von dir hören, weil ihnen das etwas bedeutet.‘ Deshalb hämmere ich meinen Moderat-Remix nun schon seit ‘nem Jahr in die Menge (lacht).

Warum bist du eigentlich DJ geworden?
Ralf Köster von MFOC (sonntägliche Partyreihe im Hamburger Golden Pudel Club, d. Red.) und Tobias Thomas von Kompakt haben mich damals sehr geprägt und mir geholfen. Ralf Köster, weil er mich auf seinen Partys hat spielen lassen und mir das zugetraut hat. Und Tobias, weil er und die Kölner mir im Studio 672 gezeigt haben, wie man eine Nacht gut gestaltet, mit einem diskreten guten Warm-Up-DJ und einem tollen Party-Hedonismus. Das war ein großer Einfluss auf mich, sehr befreiend.

Aber zu der Zeit hast du ja schon längst aufgelegt. Du warst bei Fischmob und hast HipHop gemacht. Aber wie bist du dazu gekommen?
Das war schon als ich 16 oder 17 Jahre alt war und wir in Flensburg Partys geschmissen haben, in irgendwelchen Scheunen und GI-Kasernen. Flensburg war ja eigentlich `ne Homebase von Rock und Saufen und wir wollten in den coolen Black Music-Kreis aufgenommen werden. Da hab ich aber eher ein Hit-Gewitter gezündet, ernsthafter wurde das für mich durch die elektronische Musik.

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