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Zeitgeschichten: José Padilla

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Am Anfang war Chillout ja nicht ein bestimmter, eng abgegrenzter Sound, sondern ein Sammelbegriff für alle möglichen unterschiedlichen Musikarten. Zum Klischee ist der Sound erst später geworden, oder?

Am wichtigsten war eigentlich, dass ich im Café del Mar zum Sonnenuntergang gespielt habe. Das war die Hauptattraktion. Ohne Sonnenuntergang hätte das Café del Mar keine Geschichte geschrieben. So ist es heutzutage noch: Die Leute kommen zum Sonnenuntergang, eine halbe Stunde danach ist der Laden leer. Deshalb versuchen sie inzwischen mit bekannten DJs wie Marco Carola gegenzusteuern. Und was viele Leute nicht wissen: Nach dem Sonnenuntergang habe ich zu meiner Zeit auch immer schnellere Sachen gespielt. Ich musste wirklich intelligent und clever mein Set aufbauen, damit die Leute das Café nicht verlassen. Ich ging da sehr psychologisch heran und beobachtete die Leute. Man schaut ihnen auf die Füße, beobachtet die Stimmung.

Dort aufzulegen war also eine gute Schule?

Ja, und viele Leute wissen halt nicht, dass ich dort auch groovige Sachen gespielt habe. Sie erinnern sich an den Sonnenuntergang, wissen aber nicht, dass ich jeden Abend von 20 Uhr bis 1 Uhr nachts fünf Stunden aufgelegt habe.

Das Interessante ist ja, dass es keine wirklichen Vorbilder für DJs wie dich oder Alfredo gab. Keine DJ-Geschichte und keine Youtube-Clips, auf die man aufbauen konnte. Als ihr damals angefangen habt, habt ihr Pionierarbeit geleistet.

Ich habe schon vor den Café del Mar-Zeiten direkt am Wasser gewohnt und abends mit 30 Freunden Bier getrunken, gegessen und Platten für den Sonnenuntergang aufgelegt. Ohne das Wissen, dass das Café einmal mit dem gleichen Konzept öffnen wird. Ich habe damals noch als DJ acht Stunden jede Nacht in Diskotheken in San Antonio gespielt, es gab ja noch keine Gast-DJs zu der Zeit.

Und ihr habt als DJs auf die Club-eigene Plattensammlung zurückgegriffen?

Genau, die Platten haben nicht die DJs mitgebracht. Wir hatten ein Budget für jeden Plattenladen auf Ibiza, für das wir jede Woche einkaufen konnten. Die haben einen dann aber nicht gehört, sondern dem Club. Wir DJs hatten auch einfach nicht genügend Geld, um uns Platten zu kaufen (lacht).

Du hast auch als erster auf Ibiza Kassetten mit deinen DJ-Sets verkauft, oder?

Ja. Es gab eine Zeit Ende der Achtziger, da war ich ziemlich ausgebrannt, weil ich viel getrunken und anderen Scheiß gemacht habe, einfach um immer weiter zu funktionieren. Ich habe damals echt mein Gehirn frittiert. Dann habe ich meine eigene Bar eröffnet, was in einem Desaster endete, weil einer meiner Geschäftspartner sich in dem Laden das Leben genommen hat. Es war furchtbar. Danach habe ich angefangen Tapes aufzunehmen und zu verkaufen.

Das war bevor das Café del Mar aufgemacht hat?

Ja, kurz davor. Am Anfang habe ich all meine 30 Tapes in einer halben Stunde verkauft. Weil es sonst niemand gemacht hat. Ganz am Anfang waren das vor allem Soul-, Funk- und Jazz-Tapes. Dann haben mich immer mehr Leute nach Dance-Sachen gefragt. Damals hatte ich noch nicht viel davon, vielleicht ein oder zwei House-Tapes. Ich selbst habe das auch noch nicht aufgelegt. Deswegen habe ich meine Kollegen Alfredo und Pippi gefragt, ob sie ihre Sets mitschneiden und mir geben könnten. Dafür habe ich ihnen 10.000 Peseten gegeben und die Mixes verkauft. Ich habe die Master aus dem Space und Pacha immer noch hier! Anfangs hat meine Freundin die Tapes bei mir zuhause dupliziert, dann habe ich mir in Madrid eine professionelle Telex gekauft, eine Studio-Tape-Maschine, mit der man ein einstündiges Tape in drei Minuten kopieren kann. Die war sehr teuer damals.

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