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DOMINIK BARTMANSKI & IAN WOODWARD Vinyl

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Text: Matt Digby, Übersetzung: Maximilian Riedel
Erstmals erschienen in Groove 153 (März/April 2015)

Seit kurzem hat unser geliebtes schwarzes Gold zurück in den Mainstream-Fokus gefunden. Wohin man auch schaut, hier ein neues 180-Gramm-Reissue, dort ein Artikel im Guardian. Das ist natürlich eine erfrischende Neuerung verglichen mit den zähen Diskussionen, die die elektronische Musikszene durch die Dämmerung des digitalen Zeitalters begleiteten. Eine thematische Auseinandersetzung über dieses Thema anhand einer ausgereiften, soziologischen Studie mutet dann aber doch etwas befremdlich an – um es milde auszudrücken.

Die Autoren von Vinyl. The Analogue Record In The Digital Age teilen nicht nur ihren professionellen Hintergrund, sowohl Dominik Bartmanski (Lektor und Yale-Professor) als auch Ian Woodward (Professor an der Griffith University) sammeln gerne Platten, und beide bringen zudem eine große Leidenschaft mit, wenn es um elektronische Musik geht. Diese Gemeinsamkeiten führten nun zu einer ausführlich recherchierten Studie hinsichtlich der kulturellen Auswirkungen von Vinyl, dem Material selbst und den Angewohnheiten seiner Nutzer. Unterteilt in sechs Abschnitte, setzen sie sich mit dem Vinyl als Icon, als Ware in verschiedenen Märkten und als kulturelles Totem auseinander, und bleiben mit dem Hauptfokus auf Berlin, Tokio und anderen Knotenpunkten ihrem jeweiligen Leitgedanken in einer strikten, argumentativen Form verhaftet.

Als Ass im Ärmel erweisen sich die Interviews, die dem ganzen Projekt das Element der Unvorhersehbarkeit verleihen – sei es nun der augenzwinkernder Beitrag von Wolfgang Voigt, für den eine digitale Musikkollektion nur wenig Eindruck hinterlässt, oder ein zutiefst idealisierter Gedanke von Andreas Baumecker über Glaubwürdigkeit und dem Gefühl der Knappheit rarer sowie limitierter Platten. Oder aber die Reflexionen von Phillip Sollmann alias Efdemin über Obsessionen sowie die fundierte Schilderung von Robert Henke zur technischen Geschichte – alle Beiträge werden dem wissenschaftlichen Rahmen gegenübergestellt und kritisch auf ihre Thesen und dem theoretischen Kern herunter gebrochen. Das ist natürlich zulässig und von der akademischen Welt auch nicht anders zu erwarten, trotzdem stellt sich die Frage: Wer mag es schon in einem Zoo eingesperrt und angegafft zu werden?

Ganz egal, welche Meinung man zu den theoretischen Erklärungen und ihrer Umsetzung haben mag, trotzdem wird man das Gefühl nicht los, als würde man jemanden dabei beobachten, wie er die geheimen Tricks deines Lieblingszauberers lüftet, derart entblößt liegt die Vinyl- und elektronische Musikkultur unter dem Mikroskop – fertig zum Sezieren. Gemäß der Autoren heißt es: „There are no formulas that encapsulate the phenomenon of vinyl.“ Vollkommen richtig, und die sollte es auch nicht geben.

 

Dominik Bartmanski & Ian Woodward: Vinyl. The Analogue Record In The Digital Age (Bloomsbury Academic, London/New York 2014, 192 Seiten, Taschenbuch: 19,95 Euro )

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