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GIVE LOVE BACK Gehört Clubkultur ins Museum?

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Interview: Mariann Diedrich, Fotos: Ramon Haindl (oben), Wolfgang Guenzel, Marc Krause, Daniel Herrmann

Ata Macias hatte schon immer viele Hüte auf: Seit Beginn der neunziger Jahre hat sich der gebürtige Frankfurter in wechselnden Rollen als DJ, Club- und Labelbetreiber (Playhouse, Robert Johnson), passionierter Koch, Café- und Restaurantbesitzer zu einer der prägendsten Figuren der Clubkultur im Rhein-Main-Gebiet entwickelt. Jetzt widmet das Museum Angewandte Kunst in Frankfurt seinem Schaffen unter dem Titel Give Love Back von 13. September 2014 bis 11. Januar 2015 eine Ausstellung. Wir haben Macias gefragt, was es in der Schau zu sehen gibt, was Feiern und Essen mit Kunst zu tun haben und was hinter dem „Ata-Prinzip“ steckt.

 

Ata, wie ist die Idee zur Ausstellung „Give Love Back“ entstanden?

Das war die Idee der Kuratorinnen Eva Linhart und Mahret Kupka. Bei der Frage, was Angewandte Kunst heute sein kann, haben sie mich wegen der Sachen, die ich mache oder gemacht habe, in Frankfurt herausgepickt. Das versuchen sie in der Ausstellung zu beleuchten.

Was gibt es in der Ausstellung alles zu sehen?

Die Ausstellung ist im 2. Stock des Museums Angewandte Kunst und erstreckt sich über circa 1.000 Quadratmeter. Dort gibt es verschiedene Bereiche. Es gibt alle Arbeiten, die wir zum Beispiel für das Robert Johnson gemacht und entwickelt haben. Man kann die ganzen Plakate und alle T-Shirts sehen, die ganzen Buttons, die ganzen kleinen Gimmicks.

Dann zeigen wir große Arbeiten von Michael Riedel, der das Robert Johnson sozusagen einmal auf den Kopf gestellt hat. Wir zeigen die großen Wandbilder von Daniel Herrmann, die mal als Dekoration im Robert Johnson zu sehen waren. Das ist eine Riesenfotoreportage aus dem Club, die über drei Jahre entstanden ist – jeden Freitag, jeden Samstag. Dann kann man das ganze Musikarchiv des Robert Johnsons sehen. Wir zeigen das, was der normale Besucher im Club in den 15 Jahren, in denen wir aufhaben, nicht gesehen hat. Oder nur einen Teil davon. Da wir sehr viel gemacht haben, wird das noch mal alles gezeigt.

 

Installation von Michael Riedel: Robert Johnson auf dem Kopf, Foto: Wolfgang Guenzel

 

Wir beleuchten die Fragestellung „Was kann angewandte Kunst heute sein?“ Wir haben mit verschiedenen Künstlern zusammengearbeitet, die alle eingeladen werden: Stefan Marx, Carsten Fock, Tobias Rehberger. Sie stellen die Arbeiten, die sie für und mit dem Robert Johnson beziehungsweise mit mir gemacht haben, aus. Es gibt Gesprächsrunden und Workshops, wir machen zum ersten Mal einen Boiler Room im Museum Angewandte Kunst. Wir machen Schnapsverköstigung, wir machen ein Tattoo-Studio mit Stefan Marx, wir machen viele Sachen!

Diese ganze kleine Welt, die ich so nach und nach zusammengefügt habe, wird in einem Museum ausgestellt und der Ausgangsfrage gegenübergestellt. Als Höhepunkt des Ganzen machen wir einen Pop-up Store, den ich mit Susanne Theißen von 2nd Home, einem Concept Store in Frankfurt, zusammen mache. Dort werden wir spezielle Auflagen und Editionen zeigen und alles, was mich und Susanne berührt: Alle Konsumgüter, die wir gut finden, wie zum Beispiel Schallplattencover, alles, was man so für das Leben braucht oder eben nicht braucht.

So wird im Museum die Grenze zwischen Konsum, Kultur, Kunst verschweißt: Was ist Kunst? Was ist Konsum? What is art or industry? Das beleuchten wir dort nochmals genau. Wir arbeiten auch mit Montana zusammen, den Spraydosen-Leuten. Wir zeigen auch ganz junge Künstler, wie Jan Paul Müller. So zeigen wir einen Riesenquerschnitt durch das ganze Nachtleben, Tagesleben, alles was mit Essen zu tun, alles was über die Grenze der Clubkultur hinausgeht. Das Prinzip, wie ich arbeite, wird beleuchtet.

Was ist dieses „Ata-Prinzip“, von dem auch die Kuratorinnen schreiben?

Das Prinzip bedeutet, dass ich Räume schaffe, in denen man sich wohlfühlt und Leute einlade daran teilzuhaben. Diesen Prozess habe ich aber auch erst im Nachhinein feststellen können. Angefangen mit dem Robert Johnson, das kein Club ist, sondern ein Wohnzimmer, in dem man einfach laut Musik hört. Wo nicht für Alkohol geworben wird und wo die Tanzfläche und die Musik-Anlage wichtiger sind als das Licht, wie bei anderen Clubs. Wo die Qualität der Musik spricht und nicht der Konsum.

Beim Essen, beim Club Michel, haben wir den Fokus darauf gelegt, dass man gemeinschaftlich isst, dass es eine Karte mit einem gemeinsamem Menü gibt, wo jeder das gleiche isst. Clubessen kann man das auch nennen.

Mit der Café-Bar Plank hier in Frankfurt haben wir auch alles ein bisschen auf den Kopf gestellt. Das Café entwickelt sich abends ganz langsam zu einer Bar. Es gibt erst ab 18 Uhr Alkohol, man sieht auch den Alkohol dort tagsüber nicht.

Die Räume, die ich erschaffe, werden bei der Ausstellung sozusagen in den Kontext Kunst gesetzt. Spannend wird es dann wirklich bei der Frage: Was ist Angewandte Kunst heute? Hat es etwas mit einem Objekt zu tun? Kann es ein Gefühl sein? Kann es ein Raum sein?

 

Plakat: „Yes It’s Loud Enough“, Words: Ivan Smagghe, Design: Ata Macias, Foto: Marc Krause

 

Würdest du demnach die sozialen Räume, die du kreierst und die Happenings, die darin stattfinden, als Kunst bezeichnen?

Es ist eine Art Kunst, ja. Es sind Objekte, Räumlichkeiten, in denen man sich wohlfühlt. Früher hieß es ja Museum für Handwerkskunst. Dieser Begriff wurde im Laufe der Zeit umgewandelt in „Angewandte Kunst“ und man beschäftigt sich ja auch im Alltag mit schönen Dingen. Man kauft sich etwas Schönes und jeder nimmt sich auch irgendwie auf eine Art ein Kunststück mit nach Hause. Aber die Definition von Kunst liegt schließlich immer bei einem selber.

Wir haben im Museum auch einen Schallplattenladen, in dem man die Schallplatten nicht hören kann: Man kauft sie über die Cover, über die Grafik. Der Inhalt, die Musik, ist zwar in dem Sinne auch wichtig, aber der Künstler, der die Musik erschaffen hat, macht sich ja auch meistens sehr viel Gedanken um die Hülle. Aber meistens sieht man die Hülle nicht, man kauft sich nur die Musik, aber eigentlich bekommt man ja das komplette Paket. Zum Beispiel bei Dial Records oder bei Smallville ist es so, dass viele Künstler an den Covern arbeiten. Dahinein gepackt kommt nochmal Kunst, indem der Musiker auf Schallplatte nochmal Musik präsentiert.

 

„Ich mache das, was mein Bauchgefühl mir sagt.“

 

Würdest du dich in diesem Sinne also eher als Künstler, denn als Kurator bezeichnen?

Bei dieser Ausstellung habe ich sehr viel kuratiert, aber ich mache das aus einer anderen Perspektive. Kuratoren hinterfragen sehr viel die Kunst, die sie ausstellen und ich hinterfrage meine Sachen nicht. Ich mache das, was mein Bauchgefühl mir sagt, was mein Lebensgefühl mir sagt. Das ist mein Prozess, mit dem ich Sachen definiere und mache mir keinen Kopf darum, ob sie eine Bedeutung haben. Für mich muss Kunst in allererster Linie gefallen.

Warum heißt die Ausstellung “Give Love Back”?

Weil ich, so wie es aussieht (lacht), den Kommerz bei der Art, wie ich an den Sachen arbeite, in den Hintergrund stelle und die Leute Sachen erfahren lasse oder ihnen etwas mitgebe. Im Robert Johnson ist es zum Beispiel so, dass man schon immer etwas zurückbekommen hat: Man hat Musik zurückbekommen, die wir verschenkt haben, oder wir haben Poster verschenkt. So konnte man aus dem Club immer nicht nur einen schönen Abend mitnehmen, sondern man hat auch meistens noch ein Gadget mitbekommen.

 

Foto: Liebespaar auf der Tanzfläche des Robert Johnson, Foto: Daniel Herrmann

 

Das Gefühl, das man erhält, hat etwas mit Liebe zum Detail, oder auch mit Liebe an der Arbeit, die man macht, zu tun. Man soll bei allem versuchen, dieses Gefühl zu übermitteln und nicht nur ständig zu fragen: „Was kann ich am besten verkaufen, wie sind meine Umsatzzahlen?“ Das ist meine Strategie, das ist das, was ich mache um den Leuten ein gutes Gefühl zu geben und das hat wahrscheinlich dann auch sehr viel mit Liebe zu tun. Das ist das positive Feedback, das wir den Leuten mitgeben. Man hat nie das Gefühl, dass man irgendwie abgezockt wird, oder dass man dumm behandelt wird. Wir versuchen immer so gut wie es geht, den Leuten ein Gefühl zu geben, das man was dafür bekommt.

Was erwartest du von den Veranstaltungen, die während der Ausstellung stattfinden?

Ich erwarte gar nichts. Und das ist auch ein Hauptpunkt – man sollte nie etwas erwarten, sondern man sollte alles auf sich zukommen lassen. Das muss einfach laufen, ohne dass man eine Erwartungshaltung hat, das ist glaube ich sehr wichtig. Nichts steht geschrieben, alles ist offen. Das Feedback ist willkommen, aber ich bin nie jemand, der immer auf Feedback wartet. Keine Erwartungen sind die besten Erwartungen!

Wie kam es zur Idee mit dem Boiler Room im Museum?

Der Boiler Room ist sozusagen auch Musik für alle. Ich finde auch, das ist eine gute Verbindung. Alleine die Positionierung des DJs mit dem Rücken zum Publikum, die Tanzfläche ist hinter dem DJ. Die Kameras sind so aufgebaut, dass nicht nur der DJ im Vordergrund steht, sondern der Rest der Familie. Alle, die dort mittanzen, gehören zu dem Abend dazu. Das ist natürlich frei verfügbar über das Internet und das ist auch: „Give Love Back“.

 

Die Ausstellung Give Love Back von Ata Macias und Partnern ist von 13. September 2014 bis 11. Januar 2015 im Museum Angewandte Kunst in Frankfurt am Main zu sehen.

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