burger
burger

DJ HARVEY Wildest Dreams

- Advertisement -
- Advertisement -

Interview: Gianina Selejan, Fotos: Carlo Cruz / Red Bull Content Pool (oben), Promo
Ein auf diesem Interview basierender Artikel ist in Groove 150 (September/Oktober 2014) erschienen.

Die meisten Menschen kennen Harvey Bassett als DJ Harvey. Er ist der DJ der DJs, Connaisseure und Nerds. Der heute 51-jährige Engländer war in den Neunzigern Resident im Londoner Ministry of Sound. Freitags spielte er mit Techno-Größen wie Jeff Mills, samstags mit den House- und Garage-Jungs wie Tony Humphries. Er war es auch, der den Balearic-Sound zurückbrachte. Als DJ hat Harvey sein Publikum seit jeher auch mal mit den Rolling Stones oder den Beach Boys überrascht. Mit seiner neuen Band Wildest Dreams Harvey Bassett nun tief in die Psychedelic Rock-Welt eingetaucht – als Songwriter, Sänger, Gitarrist und Drummer. Gianina Selejan hat ihn zu seinem neuesten Projekt befragt

 

Als ich dein Album „Wildest Dreams“ zum ersten Mal hörte, hatte ich dieses Bild von einem verlassenen Vergnügungspark im Kopf, irgendwo am Meer.

Oh, interessant, dass du das sagst, denn in Venice Beach, wo ich zurzeit wohne, gibt es diesen berühmten Skatepark Dogtown, wo in den siebziger Jahren die ganze Skaterkultur angefangen hat. Dieses Areal Pacific Ocean Park ist genau das: eine verlassene Gegend mit einer unglaublichen Landschaft aus runtergekommenen Achterbahnen und abgebrannten Fahrgeschäften. Das alles ist so um die Zeit entstanden, als die Doors hier Musik gemacht haben und die zweite „British Invasion“, wie ich es gerne nenne, stattgefunden hat. Die erste „British Invasion“ war musikalisch gesehen der Siegeszug der Beatles in den USA, so Anfang bis Mitte der Sechziger. Dann, so Ende der Sechziger bis Mitte der Siebziger gab’s Bands wie Cream, Deep Purple und Led Zeppelin oder die Yardbirds, alles auf Blues basierender Rock’n’Roll. Und dann noch die Jimi Hendrix Experience: auch wenn Jimi Hendrix Amerikaner war, die Experience war eigentlich eine englische Band. Also all diese Leute kamen nach Amerika, genauer nach LA, und hingen alle in der Stadt ab, auch in Venice Beach. Ein großer Einfluss für das Album Wildest Dreams war genau der Sound dieser Bands. Abgesehen von der Musik meiner Mutter, die ganz klassischen Rock’n’Roll hörte wie Jerry Lee Lewis, Dean Vincent oder Johnny Cash, hatte ich als Kind in den frühen Siebzigern beschlossen, dass mir auch dieser Blues-Rock gefällt. Blues plus LSD ergibt den Wildest Dreams-Sound. Es ist im Grunde die Musik, die ich vor 40 Jahren mit elf gemacht habe. Ich versuchte so wie Cream oder Jimi Hendrix Experience zu klingen und nun, 40 Jahre später, lebe ich tatsächlich in Venice, wo diese Musik entstanden ist. Diese Art von Musik zu machen ermöglicht es mir quasi zum Ausgangspunkt zurückzukehren. Um zu deiner Frage zurückzukommen, diese Idee, das Gefühl, das du beim Hören des Albums hattest, ist genau das, was ich versucht habe zu erreichen: der Soundtrack von Dogtown in den Siebzigern.

Ich bin froh, dass du die Doors erwähnt hast. Ich bin ein großer Fan und das Lied „Off the Lip“ erinnert mich sehr an die Doors, es klingt wie ein langes Doors-Intro. Ich hatte das Gefühl, Jim Morrisons Stimme setzt gleich ein.

Also das Ganze ist für mich fast wie kalifornische Funk-Musik. Die Doors sind ja aus Venice Beach, also es ist schon sehr klassisch … Weißt du, Amerika an sich ist nicht sehr alt, also alles was so 50 Jahre alt ist wird hier als sehr alt betrachtet. Abgesehen von der Musik der Ureinwohner Amerikas, ist der Blues die Grundlage für die „klassische“ amerikanische Musik und somit auch die vom Blues inspirierte Psychedelia der Doors. Also führe ich einfach diesen Sound weiter. Wenn meine Musik vertraut klingt, dann kommt es dadurch, dass sie von dieser Atmosphäre beeinflusst ist.

Ich wollte dich gerade nach deiner Inspiration fragen, also muss es genau das sein: zum einen L.A., zum anderen die Musik deiner Kindheit, richtig?

Ja, durchaus. Mitte bis Ender der Siebziger stand ich total auf Punkrock, aber davor, das war die Musik, die ich hörte. Man kann schon sagen, dass es eine Rückkehr zu meinen Wurzeln ist.

Ursprünglich bist du Schlagzeuger …

Ja, ich habe in diversen Bands Schlagzeug gespielt.

Man hört aber auch viel Gitarren auf dem Album, hast du die selbst eingespielt?

Ich habe nicht alle Gitarren-Parts gespielt, mein Freund Sergio (Rios, Anm. d. Red.) hat das meiste eingespielt, aber ich habe einige Gitarrensolos im Nachhinein drüber gespielt, weil es sehr schwer ist Gitarre und Schlagzeug gleichzeitig zu spielen. (lacht) Mit den Wundern der modernen Technik konnten wir im Studio einiges machen: Wir, also ich am Schlagzeug, dann Ethan Phillips am Bass, Dan Hastie am Keyboard und Sergio an der Gitarre, haben die Rhythmus-Tracks zusammen aufgenommen, danach haben wir einfach mit Overdubs einige Gitarrensoli und meine Vocals hinzugefügt. So war im Grunde der Aufnahmeprozess. Ich wollte schon immer ein Guitar Hero sein, aber war nie in der Lage, einfach alles beim ersten Mal richtig hinzubekommen. Im Studio hat man Zeit, du kannst mehrere Takes aufnehmen und eine gute Version aussuchen.

Hast du zuvor schon mal so viel gesungen?

Ich habe vor einigen Jahren eine Platte mit einem Bandprojekt namens Map of Africa herausgebracht. Auf dem Album gibt es so 13 oder 14 Tracks, die ich alle selbst eingesungen habe. Ich halte mich nicht für einen großen Sänger oder so, aber bei Map of Africa war ich der beste Sänger, also bekam ich den Job. Ich habe auch gelernt, dass man nicht unbedingt ein toller Sänger sein muss, um etwas zu vermitteln. Sowie einige meiner Lieblingssänger Shane McGowan (The Pogues) oder Shaun Ryder (Happy Mondays): die sind keine super Sänger im klassischen Sinne aber die können wirklich ihre Message und dieses Gefühl rüberbingen. Sie haben mich inspiriert, um mich nicht zu sehr damit zu beschäftigen, ob ich ein guter Sänger bin oder nicht, sondern meine Sache selbstbewusst und gefühlvoll zu machen.

Es klingt wirklich gut.

Ich finde es super, wenn es den Leuten gefällt. Wenn die Leute wirklich zuhören und es ihnen gefällt, dann fühle ich mich geehrt und bin sehr glücklich darüber. Vielleicht kann ich irgendwann die Stücke live spielen.

 

„Ich wollte einfach nur ein wenig altmodischen Rock’n’Roll mit psychedelischen Elementen machen.“

 

Hattest du die ganze Zeit diesen spezifischen Sound im Kopf, war es etwas, das du schon lange aufnehmen wolltest, oder war das eine spontane Idee? Ich hörte, dass die Aufnahme nur eine Woche gedauert hat.

Es gab schon ein Grundkonzept. Ich schätze, ich wollte einfach nur ein wenig altmodischen Rock’n’Roll mit psychedelischen Elementen machen. Es fällt mir sehr leicht, diese Art von Musik zu machen. Ich empfinde es als viel schwieriger Techno zu machen. Wenn du Rock’n’Roll aufnimmst, machst du das fast komplett, alles auf einmal. Man probt, dann stellt man ein paar Mikros hin und nimmt auf. Bei der Musik, die mit Computern gemacht wird, oder Dance Music, erstellt man einen Element nach dem anderen: Es gibt den Drum-Track, die Bassline, ein Keyboard und dann noch ein Lead-Keyboard, dann bearbeitet man furchtbar viel und arrangiert alles, das kann echt lange dauern. Es ist ein komplett anderer Prozess, wenn man einfach mit einer Gruppe zusammen spielt und das aufnimmt. Ich empfinde das letztere als einen natürlicheren Prozess, auch wenn ich Disco, Techno und überhaupt Tanzmusik sehr liebe, das ist ja die Musik, die ich spiele, wenn ich auflege. Das eigentliche Spielen von Instrumenten als organischer Rock’n’Roll fließt mir praktisch aus den Armen. Es fällt mir viel leichter.

Hat die Band an den Songs mitgewirkt oder warst du für das Songwriting alleine zuständig?

Im Grunde genommen habe ich die Songs geschrieben, es waren aber sehr einfache Akkordfolgen, zwei, drei Akkorde. Die Jungs in der Band sind sehr gute Musiker, also jede Improvisation ist ihr Verdienst. Ich bin mit meinen drei, vier Akkorden angekommen, spielte die ihnen vor und wir haben um diese Akkorde herum gejammt, es einfach laufen lassen. Wenn du mit guten Musikern spielst, reicht ein einfacher Augenkontakt, um zu wissen, in welche Richtung es gehen wird oder wer gerade ein Solo übernehmen wird. Ich habe die Sessions vom Schlagzeug aus geleitet und je nach Schlag, Kopfnicken oder Bewegung von mir entwickelte sich alles von selbst.

Irgendwann einmal sagtest du, du spielst keine Texte, an die du nicht selbst glaubst.

Richtig, wenn ich auflege, spreche ich mit den Tänzern. Mit Textpassagen wie zum Beispiel: „I wanna take you higher“ oder „I love you, I want you to dance all night“ oder wie auch immer erschaffe ich Momente, das spiele ich nicht einfach nur so …

Ist das der Einfluss von Larry Levan? Ihr wart ja befreundet, und er hat auch durch die Texte zum Publikum gesprochen.

Ich würde sagen, ja. Ich hatte mir zwar schon immer Gedanken darüber gemacht, aber als ich mich mit Larry anfreundete … Er war sicherlich ein Maestro in dieser Technik. Er hat durch die Lautstärke Passagen wie „I love you“ oder „Dance all night“ oder „Put your hands up in the air“ hervorgehoben. So sprach er mit seinem Publikum, darin war er sehr, sehr gut. Er war also durchaus ein Einfluss, ich habe von ihm viel gelernt.

 

„Vinyl ist ein wundervolles Format, es ist magisch, aus Kohlenwasserstoff, gewonnen aus fossil gewordenem Leben.“

 

Freunde von mir diskutieren unentwegt über Vinyl gegen Digital, über Platten gegen USB Sticks usw. Ich würde gerne deine Meinung dazu hören, so als DJ der DJs.

Wenn möglich, spiele ich gerne Platten. Vinyl ist ein wundervolles Format, es ist magisch, aus Kohlenwasserstoff, gewonnen aus fossil gewordenem Leben. Somit ist Vinyl in vielerlei Hinsicht fast lebendig. Die Illustrationen auf dem Cover sind großformatig dargestellt. Du kannst es richtig in den Händen halten, es existiert physisch. Wenn man ein schönes Soundsystem hat, kann es absolut wunderbar klingen. Ich habe ich nichts gegen digitale Formate. Ich glaube aber nicht, dass es unbedingt hilft, auf jede Platte, die jemals veröffentlicht wurde, Zugriff zu haben. Wenn ich so auflegen würde, wüsste ich nicht, was ich auswählen sollte. Ich glaube auch nicht, dass USB-Sticks sehr viel Glamour haben. (lacht) Durch die Tracks scrollen, während man auf einen winzigen Bildschirm schielt, das ist nicht gerade glamourös. Wenn du allerdings eine hochauflösende Datei hast … Es gibt viel moderne Musik, die digital erstellt worden ist, ich sehe keinen Sinn darin, die Musik von ihrem ursprünglichen Format zu entkoppeln. Es ist genauso merkwürdig, ein Tape ins Digitale umzuwandeln wie eine digitale Datei auf Vinyl zu pressen. Es ist fast nutzlos, also denke ich, wenn die Musik digital gemacht worden ist, kann es genauso gut digital bleiben. Ich brenne viele CDs. Vieles, beispielsweise digitale Promos, gibt es nicht auf Vinyl. Also würde ich sagen, es stört mich nicht wirklich. Vinyl oder nicht Vinyl zu spielen macht keinen guten DJ aus.

Ich komme aus der Zeit, in der Vinyl Standard war, so hat man’s damals gemacht. Die Zeiten haben sich aber geändert und es gibt viele junge Leute, die nicht wissen würden, was sie mit einer Vinylplatte anstellen sollen. Es ist einfach komisch für sie. Aber darum geht es nicht beim Auflegen: Die Kunst dabei ist, Platten in einer Reihenfolge zu spielen, die einen Sinn ergibt und die Leute unterhält. Ich habe mit keiner Form des Auflegens ein Problem. Ich glaube nicht, dass das eine besser klingt als die andere. Vor 20 Jahren vielleicht war die Digitaltechnologie nicht so weit wie heute, so konnte man sicherlich einen Unterschied heraushören, aber heute ist es in den meisten Clubs sehr schwierig, den Unterschied herauszuhören. Vielmehr klingen Platten wahrscheinlich häufig schlechter, weil die Leute nicht mehr wissen, wie man die Plattenspieler isoliert oder aufbaut, um das volle Potenzial zu erreichen.

 

 

Um auf die Texte zurückzukommen, du sagtest einige wären über eine imaginäre Freundin.

Ja, sicher, gewisse Momente. Zum Beispiel „The Mermaid Song“, „ich will mit meiner Meerjungfrau spielen“… Also im Grunde ist die Meerjungfrau das Mädchen aus der Phantasie und das Lied spricht die eigentliche Freundin an: „wenn du auf mich sauer bist, wenn du gemein zu mir bist, werde ich mit meiner imaginären Freundin spielen gehen“. (lacht) Vielleicht ist es ein Masturbationslied oder so, aber darum geht es in dem Lied. Dann dieses andere Lied mit dem „Hungry Ghost“ , das von Succubus spricht. Das ist eine Verkörperung der Traumgeliebten, du träumst von deiner Geliebten und diese erscheint wirklich. Ich benutze Techniken zum Schreiben wie Cut-up. Man nimmt eine Passage aus einem Buch, die das ausdrückt was du sagen willst, aber dann zerschneidest du die Zeilen und stellst sie in zufälliger Anordnung wieder zusammen. Viele nutzen diese Technik, so wie Bowie, Lou Reed oder William Burroughs. Ich verwendete Ausschnitte aus dem Tibetan Book of the Dead, das hat Bowie auch benutzt. Da war sogar ein Typ, der das in einer Albumbesprechung angemerkt hat. Er schrieb, dass es ein wenig wie die Walker Brother klingt. Ich war perplex, er hatte es total erfasst. Das war eine Art Drittreferenz via Bowie, der es von den Walker Brothers kopiert hat. Aber weißt du, ich fühle mich geehrt, wenn ich mit solchen Leuten verglichen werde. Ich glaube, ich bin eine leistungsschwächere Version all dieser Künstler, die ich nannte.

Kannst du mir ein wenig über die Instrumentalstücke erzählen?

Ich weiß nicht, wie gesagt, es gab recht simple Akkordfolgen und wir haben einfach nur gejammt. Ich sage irgendwann: „Okay, alle spielen jetzt A, E, G” oder sowas ähnliches und wir spielen um diese Akkordstrukturen, um am Ende fünf oder sechs Minuten rauszuschneiden, die für sich alleine stehen können. Es musste nicht unbedingt ein Song werden, es ging um die Atmosphäre.

Das Promovideo war so witzig. Was ist die Verbindung zwischen Video und Album? Was wolltest du damit erreichen?

Es sollte sexy und bizarr sein. Es ist eigentlich nur das, was es ist, es sollte keine großartige Story haben. Es ist einfach nur ein Loop, ein Clip, der ein bisschen zum Nachdenken anregen soll und ein bisschen sexy und eigenartig ist. Jemand schrieb, er hätte es nicht verstanden und ich dachte: Super, ist doch gut! (lacht)

 


Video: Wildest DreamsLast Ride (Promo-Video)

 

Wer hat das Album produziert?

Ich habe das Album selbst produziert, Sergio war Tontechniker und hat beim Mixen geholfen.

In welcher Stimmung warst du, als du die Songs geschrieben hast?

Ich weiß es nicht, ich schätze, ich war in einer recht feierlichen Stimmung. Es ist schwer zu sagen, ich genieße es, so Musik zu machen, es macht so viel Spaß. Ich denke, die Texte sind recht leidenschaftlich, ich singe ja über imaginäre Freundinnen.

Als ich „The Last Ride“ hörte, habe ich mir ein altes Cabrio vorgestellt, das nachts durch die Wüste fährt. Dieser Typ sitzt am Steuer und seine Freundin gibt ihm einen Blowjob.

Es heißt Roadhead und die Leute hier in Kalifornien tun es! (lacht)

 


Stream: Wildest DreamsLast Ride

 

Es fühlt sich an, als ob es sexuelle Elemente gibt in der Musik, für mich vor allem in diesem Song.

Ich meine, sicher, Musik ist sehr sexuell von Natur aus. Sie ist wie ein Intro zum Vorspiel. Man geht in die Disko oder zu einem Konzert, man wackelt mit dem Körper. Alles ist aufregend und die Band ist auch aufregend. Mädchen und Jungs schreien nach ihren Künstlern und werden angetörnt … Also ich glaube, die meiste Musik, die meiste populäre Musik hat irgendeine Form von Sex in sich, sei es der Rhythmus oder die Drums, man hat es mit Frequenzen zu tun und einfach mit dem Rhythmus des Lebens. Deshalb ist Musik von Natur aus sexuell. Es kann auch der Text sein. Ich meine, wenn du sowas raushörst, ich bin total cool damit. (lacht) Musik ist sexy, ich bin ein gesunder Mann mit Sehnsüchten und Bedürfnissen (lacht) und all sowas. Wenn ich die Leute auf diese Weise stimulieren kann, ist das toll. Wenn es dich auch anregt, dann funktioniert es sehr gut.

Bei „Boosh” habe ich mich gefragt, was das für dich bedeutet. Ich habe das Wort noch einmal nachgeschlagen und es kann einige Bedeutungen haben. Was ich damit verbinde, ist die Comedy -Show „The Mighty Boosh“, die habe ich so geliebt.

Du hast es genau richtig erfasst, Ich habe die Show sehr geliebt. Da gibt es eine Folge, ich bin mir noch nicht mal sicher, wie die Folge hieß, aber sie sind in einer Band und sie fangen an nach dem perfekten …

… Sound zu suchen!

Genau richtig, der perfekte Sound. Also der Song ist eine Widmung an diese Folge der Show, er ähnelt sehr einem der Tracks, die sie in der Folge spielen. Der Beat ist sehr ähnlich. Also, da hast du wirklich die Quelle gefunden. Diese bestimmte Folge ist meine Lieblingsfolge. Wobei, eigentlich habe ich viele Lieblingsfolgen, wie zum Beispiel die mit den Bongo Brothers und den psychedelischen Rocker.

Wenn wir schon bei Psychedelischem sind: Was hältst du von Drogenkonsum wie LSD oder Ecstasy, um die Musikerfahrung zu erweitern?

Ich glaube, ich habe fast jede Droge ausprobiert, die es gibt. Ich war so ziemlich 30 Jahre lang durchweg high. (lacht) Ich bin jetzt seit fast drei Jahren komplett nüchtern, sprich keine Zigaretten, keine Pillen, kein Puder, kein Alk, kein gar nichts. Nüchtern zu sein ist ein wirklich merkwürdiger Zustand. Nüchtern zu sein ist fast so wie auf Acid zu sein: Da draußen laufen Elefanten rum, es gibt Schmetterlinge und Bäume und sowas, es gibt so viele erstaunliche Sachen. Manchmal höre ich jemanden sagen: „Oh, wäre es nicht geil, wenn wir jetzt auf Acid wären?“ Und ich denke, weißt du, Acid ist toll und alles, aber ich denke es ist auch ziemlich toll ohne. Acid ist so wie Las Vegas, du brauchst da nicht oft hin, um zu wissen, wie es ist.

Warst du schon mal in Vegas?

Ja, es ist furchtbar. Der Teufel hat eine Wohnung in Las Vegas. (lacht) Las Vegas ist für die Armen, die Gierigen und die hoffnungslosen Optimisten.

Man muss ein Optimist sein, um zu spielen, oder?

Also ich glaube Drogen sind wunderbar, sie können absolut fantastisch sein. Heroin ist eine meiner Lieblingsdrogen. Allerdings können sie sehr gefährlich sein, die Leute nehmen Heroin und Kokain, weil man sich dabei saugut fühlt, nicht weil man sich beschissen fühlt. (lacht) Und Ecstasy und all diese wundervollen Geschenke, die können ein zweischneidiges Schwert sein, das mit viel Vorsicht angegangen werden muss. Ich habe viele Vorteile dadurch gehabt, ich hatte wundervolle, wirklich tolle Zeiten erlebt und ich habe auch Schreckliches durchgemacht. Freunde von mir sind gestorben, ich bin auch fast gestorben und war schon am Rande des Wahnsinns und wieder zurück. Also ist es eine Yin/Yang-Situation, die in beide Richtungen schwingen kann, für das Gute oder für das Böse. Ich würde Drogen nicht unbedingt promoten, ich würde nicht sagen, ja, nimm Drogen. Gleichzeitig denke ich, dass man den Menschen die Wahl lassen sollte, Menschen sollten diese Gedankenfreiheit genießen. Es sollte einem erlaubt sein zu denken, was man möchte. Drogen beeinflussen deine Gedanken, also sollte man kontrollieren dürfen, was und wie man denkt.

Ich tendiere dazu, mich mit Menschen, die Drogenerfahrungen gemacht haben, besser zu verstehen. Ich habe das Gefühl, sie sind aufgeschlossener und toleranter als andere.

Gedankenfreiheit ist auch mit der Erziehung verbunden, wie die Eltern waren und ob man von irgendeiner Kultur oder Denkweise, die einen davon abhält, indoktriniert worden ist. Ich glaube nicht, dass Leute, die Drogen nehmen Freidenker sind, nicht mehr als solche, die keine nehmen. Ich glaube, es liegt eher an der Zeit oder an dem Ort, an den Eltern und an der Kultur, in der du groß geworden bist. Menschen mit einer liberaleren Erziehung neigen vielleicht eher dazu, Drogen zu nehmen und deshalb scheinen sie freier zu denken. Ich bin mir aber sicher, dass manche der großen Denker der letzten 2000 Jahre wahrscheinlich Drogen genommen haben. Ich frage mich, ob Gandhi Drogen genommen hat.

Wenn wir von Eltern sprechen: Wie war deine Kindheit?

Meine Eltern waren wirklich wundervoll, ich hatte eine perfekte Kindheit. Meine Eltern sind noch am Leben und immer noch verheiratet. Ich bin in England auf dem Land aufgewachsen, in East Anglia. Das war ein fantastischer und bizarrer Ort zum Aufwachsen.

Inwiefern bizarr?

Ich schätze, es kann überall bizarr sein. Es war das Landleben, das war einfach meine Erfahrung. Als ich dort war, gefiel es mir nicht besonders, aber wenn ich zurückblicke, war es eigentlich recht schön. Weißt du East Anglia ist recht flach, also scheint der Himmel so weit zu sein. Damals wollte ich aus London sein, was auch cool war und so. Aber nun blicke ich zurück und ich bin sehr froh, dass ich dort aufgewachsen bin, mit meinen Freunden, dieser Atmosphäre und der Situation, in der ich war. Wäre ich in London aufgewachsen, hätte ich mich vielleicht anders entwickelt.

Hast irgendwelche Pläne um mit einer Band auf Tour zu gehen? Ich hörte, du hasst das Fliegen.

An das Fliegen habe ich mich gewöhnt, es stört mich nicht mehr allzu sehr heutzutage. Ich bin durch eine Phase gegangen vor zirka 20 Jahren, da begannen meine Hände zu schwitzen, wenn ich eingestiegen war. Ich musste furchtbar viel trinken und Valium schlucken, um da durchzukommen. Heutzutage genieße ich fast die Stille und die friedliche Atmosphäre, außerdem kann ich mehr Business Class fliegen, das macht es eindeutig einfacher. Einfach einsteigen, etwas essen, einen Film schauen und schlafen gehen, alles Dinge, die ich eh am liebsten tue. Ich glaube das Album wird gut aufgenommen, also wenn es irgendeinen Promoter geben würde, der mit mir Gigs auf die Beine stellen will, würde ich gerne eine kleine Band zusammenstellen und das Album live performen. Ich glaube, es wäre nett vielleicht als Vorband für eine etabliertere Band zu spielen, so wie zum Beispiel Tame Impala, wenn sie das nächste Mal in LA sind. Es wäre nicht zu viel Druck, wir könnten einfach Spaß haben und ein wenig Musik machen und alle Bands, die nach uns kommen, total wegblasen. (lacht)

Würdest du die gleichen Musiker nehmen, die mit dir das Album aufgenommen haben?

Es kommt darauf an, wer frei ist, die Jungs sind alle cool. Es gibt viele großartige Musiker und die Musik ist nicht so schwer zu spielen. Ich würde einfach mal schauen, ob die Jungs in der Gegend sind und wenn nicht, habe ich andere Freunde, vor allem für die Gitarre. Dan ist ziemlich besonders am Keyboard, also ich denke, ich würde es gerne bei einem Trio belassen. Ich würde Schlagzeug spielen und singen, genau wie Phil Collins (lacht) oder vielleicht mehr wie Karen Carpenter, die finde ich am besten, obwohl ich natürlich nicht so singen kann. Also, ich würde Schlagzeug spielen, dann noch irgendein heißer Gitarrist und einer am Keyboard. So wie die Doors, sie hatten eigentlich nie einen Bassisten, Ray Manzarek hat den Bass vom Keyboard aus gespielt. Oder vielleicht Schlagzeug, Bass und Gitarre. Das passiert dann, wenn’s passiert, wenn jemand anrufen würde und sagen würde, komm, spiel für…, was auch immer es für heiße Bands da draußen gibt. Keine Ahnung, ich würde jeden Gig nehmen. So ein Outdoor-Ding würde Spaß machen, dann könnten wir ewig lange Jam-Sessions machen mit echten psychedelischem Zeug für die Kids im Park.

 

„Burning Man ist ziemlich beschissen. Es ist […] der unehrlichste Ort an dem ich jemals war.“

 

Sowas wie Burning Man? Du sagtest einmal, du würdest nicht dahin gehen weil es deine Schuhe ruinieren würde.

Ja, Burning Man ist ziemlich beschissen. Es ist für so Sex-Typen, der unehrlichste Ort an dem ich jemals war.

Also warst du schon dort!

Ich war dort vor einigen Jahren und eigentlich hatte ich eine tolle Zeit, aber es ist schon wieder so wie Vegas, du musst nur einmal hin und du weißt worum es geht. Das Gute an Burning Man – es ist nicht alles schlecht – ist die Kunst. Es gibt fantastische und riesige Kunstinstallationen, also wenn man sowas sehen will, dann kann man wirklich hingehen. Ich glaube nicht, dass es unbedingt ein Ort ist um sich, sagen wir, Mode anzuschauen (Gelächter). Also die Mode ist nicht „cutting edge“ und ich denke auch nicht, dass man dahin sollte, um sich Musik anzuhören. Es gibt da ziemlich veraltete, zügellose Electronica. Aber wenn dir große Kunst gefällt, dann ist es eine der besten Locations.

Kennst du diesen Brief, den Dr. Der an seine damalige Freundin geschrieben hatte? Ich glaube, sie hatten dort „California Love“ gefilmt und stolperten dabei irgendwie über dieses Festival. Er schrieb: „Es gibt hier diese verrückten Weißen, die allen möglichen Scheiß anstellen, ich glaube damit könnte man ziemlich gut Geld verdienen.“

Er war möglicherweise der einzige Schwarze dort: „Mann, es gibt da in der Wüste diese Verrückten, die so tun als ob alle erleuchtet wären. Die sollten sich zusammenreißen und sich ein paar anständige Hosen anziehen.“ (lacht)

Bist du in irgendeine Weise spirituell oder religiös?

Nein, ich glaube das Leben ist beschissen und dann stirbt man. (lacht)

Ich glaube nicht, dass dein Leben beschissen ist.

Ich glaube, Gott hat mich wirklich gesegnet, Sie hat sich entschieden, Vaginastrahlen aus dem Himmel über mich niederscheinen zu lassen. Ich kann mich glücklich schätzen, ich kann meine Miete mit der Kunst zahlen. Ich bin ein Entertainer und ein Künstler, ich habe viel Glück und ich unterschätze die goldene Lichtkugel, in der ich durch die Welt laufe, sicherlich nicht.

Das selbstbetitelte Album von Wildest Dreams ist bei Smalltown Supersound erschienen.

In diesem Text

Weiterlesen

Features

TSVI: „Es muss nicht immer total verrückt sein”

Groove+ In Porträt verrät der Wahllondoner TSVI, wie sein einzigartiger Stilmix entsteht – und wie er als Anunaku Festival-Banger kredenzt.

Time-Warp-Macher Robin Ebinger und Frank Eichhorn: Die Musik auf anderen, subtilen Ebenen erfahrbar machen

Groove+ Die Time Warp ist die größte Indoor-Techno-Party Europas, demnächst feiert sie ihren 30. Geburtstag. Wir haben mit ihren Machern gesprochen.

James Blake und die neue Plattform Vault: Beschiss mit Ansage

James Blake warb zuletzt ungewohnt offensiv für die Plattform Vault, die das Geschäft mit der Musik revolutionieren soll. Wieso das nichts wird, lest ihr hier.