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Mein Plattenschrank: Motor City Drum Ensemble

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Text: Sebastian Ingenhoff, Foto: Alfred Jansen
Erstmals erschienen in Groove 131 (Juli/August 2011)

Trotz seines relativ jungen Alters nennt der 1985 in der Nähe von Stuttgart geborene Danilo Plessow bereits eine stattliche Sammlung von gut 5000 Platten sein Eigen. Der unter dem Namen Motor City Drum Ensemble veröffentlichende Produzent und DJ ist erklärter Vinyljunkie und nutzt jede Gelegenheit zum Kauf und Tausch rarer Scheiben. Das Wissen um die Geschichte der sogenannten black music spiegelt sich auch in seinen Eigenveröffentlichungen und DJ-Sets wider, wobei ihm ein respektvoller Umgang mit Samples und Quellen stets wichtig ist. Auch seine neue, kolossale DJ-Kicks liefert mal wieder den Beweis, dass sich House nicht ohne Jazz, Funk und Disco denken lässt.

 

The AwakeningMirage (Black Jazz Records, 1973)

„In Schwäbisch Gmünd, wo ich aufgewachsen bin, gab es einen Plattenladen mit einer relativ großen Auswahl an Jazz und anderer black music. Als ich mich das erste Mal da reingewagt und mich durch diese ganzen Spiritualjazz-Sachen gehört habe, war ich noch relativ jung. Die Platte hier habe ich entdeckt, als ich vielleicht 13, 14 war. Das militante Siebzigerjahre-Black-Power-Ding darauf hat mich natürlich beeindruckt. Im Prinzip haben Black Jazz in den Siebzigern schon das gemacht, was ein Label wie Underground Resistance später fortgeführt hat. ‚We must free our community from drugs‘ und so weiter. Dieses Album hat mich zu gutem Jazz bekehrt und ist bis heute ein sehr wichtiges Ding für mich.“

NasIllmatic (Columbia, 1994)

„Neben Jazz war HipHop der Soundtrack meiner Jugend. Ich habe damals mit dem Magix Music Maker angefangen, Beats zu produzieren, aber nie einen guten MC gefunden. Am Ende ging das dann eher in Richtung TripHop, entspannte Beats, viel Kiffen und so weiter. Über den Umweg bin ich später auch zu meinem ersten Plattenvertrag gekommen. I l l m a t i c  ist das beste HipHop-Album aller Zeiten. Wahnsinnige Beats, dirty Sounds, Q-Tip ist mit drauf – was willst du mehr? A Tribe Called Quest war die andere große Konstante für mich im Bereich HipHop. Diese roughness in den Beats ist definitiv etwas, das ich auch heute noch in meiner Musik konservieren will. Wenn auch auf etwas andere Art und Weise.“

 

MoodymannSilentintroduction (Planet E, 1997)

„Ich muss zugeben, dass ich diese Platte zunächst überhaupt nicht verstanden habe. Sie hatte halt ein gutes Cover, und ich habe sie mir eher deswegen gekauft. Die Samples fand ich natürlich verdammt cool, habe mich aber auch immer gefragt, wieso so wenig passiert. Ich war damals noch nie in einem Club gewesen. Einige Zeit später bin ich das erste Mal ausgegangen, und der DJ hat ein Stück von der Platte gespielt, das war der absolute Wahnsinn. Da habe ich gemerkt, wie Reduzierung im besten Fall funktionieren kann. Dass man sich eben auf wenige Elemente konzentriert, die dafür aber umso besser ausgearbeitet sind. Für mich ist  S i l e n t i n t r o d u c t i o n  eins der besten Housealben ever.“

DrexciyaThe Journey Home (Warp, 1995)

„Diese EP hatte ich jahrelang nur auf CD. Es war ein toller Moment, als ich diese eher rare Warp-Platte dann endlich auf Vinyl gefunden hatte. Man merkt vermutlich, dass ich Black-Music-Aficionado bin und durchaus Parallelen sehe zwischen dem, was Drexciya oder Moodymann machen, und eben Jazz. Diese ganz speziellen Harmonien, dieses emotional zerbrechliche Feeling haben mich in meinem Schaffen enorm beeinflusst. Im Vergleich zum eher stumpfen europäischen Techno aus jener Zeit hatten Drexciya eben eine ganz andere Herangehensweise. Darüber hinaus steht die Platte natürlich auch stellvertretend für Warp. Das war damals die einzige anspruchsvolle elektronische Musik, die du bei uns bekommen konntest.“

 

Marcus BelgraveGemini II (Tribe, 1974)

„Neben Black Jazz und Strata East war Tribe das dritte wichtige Jazzlabel jener Zeit, das dieses schwarze Bewusstsein extrem gepusht hat. Das Label kam aus Detroit und hat immer versucht, sich auch politisch zu äußern.  G e m i n i  I I  gehört musikalisch definitiv zu den besten Alben, die auf Tribe veröffentlicht worden sind. Schon beim Eröffnungsstück „Space Odyssey“ bekomme ich eine Gänsehaut, das ist fast ein bisschen Sun-Ra-mäßig. Sehr experimentell, gleichzeitig aber wunderschöner modaler Jazz, den man auch entspannt zu Hause hören kann. Im Prinzip wie Techno aus dem Jahr 1974. Carl Craig hat die vor Kurzem mit seinem Tribe-Rebirth-Projekt auch alle wieder zusammen ins Studio gebracht.“

 

The AntillesThe Antilles (Jugodisc, 1982)

„Als DJ habe ich das Privileg, viel reisen zu dürfen, und ich versuche, mir unterwegs immer Zeit zum Plattendiggen zu nehmen. Ich bin da ein ziemlicher Nerd. Dieses Album habe ich vor Kurzem in Serbien gefunden. Ein Discoalbum, das eigentlich von einer englischen Band stammt und noch nie ein internationales Release gesehen hat. Es ist damals nur in Jugoslawien erschienen und deshalb natürlich sehr rar. Die Platte ist so an die dreihundert Euro wert. Gleichzeitig ist das hier eins der besten Boogiedisco-Alben, die ich je gehört habe. Jedes Stück ein Hit, keine Füller oder Balladen, stattdessen von vorne bis hinten Dancefloor-Mayhem.“

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