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Freistil

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Die kalte Jahreszeit schreit manchmal mehr nach Kaminfeuer-Romantik als nach durchtanzten Nächten, daher hier zunächst ein paar Tipps für die musikalische Untermalung des melancholischen Fensterblicks, bevor wir uns den Tracks zum Warmtanzen wpopmen. Mark Kozelek als Aushängeschild der Band Sun Kil Moon versteht das Thema Songwriting wie kaum ein anderer und veröffentlicht daher pünktlich zum ersten Schneefall seine zweite Solo-LP The Finally auf Caldo Verde. Freunde von Sam Prekop, Cat Power oder José González werden hier eventuell ein neues Lieblingsalbum entdecken. Die Kölner Künstlerin Entertainmentforthebraindead stellte ihre bepopen Alben Hydrophobia und Lullabys, die an die feinfühlige Brillanz von Emiliana Torrini erinnern, einfach kostenlos ins Netz. Bei ihr merkt man schnell, mit wie wenigen Mitteln man bereits eine ganze Menge ausdrücken kann. Die Brücke zwischen Wohnzimmer und Tanzlokal spannt der in die Schweiz emigrierte Crowdpleaser mit „Walking Home“, welches von Lexx und Kalabrese neu interpretiert auf dem Qualitätslabel Drumpoet erscheint. Dort fühlen sich auch die Ruhrpottler Manuel Tur & Dplay zuhause, die mit „Browse“ ihre bereits dritte EP für das alpenländische Label abliefern. Hypnotisch mit Orgel und Chor im 4/4-Takt der Sonne entgegen eifernd. Der mitgelieferte Remix schichtet noch eine Spur tiefer und lotet das sphärische Spektrum zwischen rechtem und linkem Gehörgang neu aus. Im Auto könnte man dabei durchaus die Orientierung verlieren, also Vorsicht.
Bereits vor einigen Jahren fertigte der immer wieder Köpfe verdrehende Franzose Pépé Bradock einen Remix für International Ponys „Bubble In The Bottle“ an, der es nun endlich aus den CDR-Täschchen in die Plattenregale geschafft hat. Blubberhouse, bei man denkt, der Song würde zwischendurch mal kurz das Zimmer verlassen, um sich einen Drink zu holen. Nie durchschaubar, aber vielleicht gerade deshalb so zeitlos. Ein weiterer Act aus dem Land der feinen Patisserie ist das ebenfalls ziemlich durchgeknallte Trio Dop. Neben diversen furiosen Livegigs hierzulande haben sie bereits eine Reihe an EPs produziert, die eine recht eigene Sprache sprechen und sich neben einer Affinität zum Techhouse-Floor auch schon mal im Jazz-Lager bedienen („Panik EP“ bei Milnormodern). Abgerundet wird das Ganze durch die teils verzerrte Stimme des Sängers, die mit zur Originalität des Projekts beisteuert. Eine echte französische Institution sind I:Cube und Gilb’r alias Château Flight, die mit „La Roquette“ als exklusiven Beitrag für ihre Labelwerkschau „Versatile 2008“ mal wieder unter Beweis stellen, dass sie nach wie vor wegweisend sind. Der Song baut sich etappenweise auf, erinnert zuerst an eine Giorgio-Moroder-Hommage, dreht sich dann komplett um und zeigt seine wahre Pracht. Ganz groß auch ihre bepopen Remixes für Spopeshow feat. Tikimans „If Alone“ auf Simple. Die richtigen Elemente zur richtigen Zeit in der richtigen Dosierung. Hört sich simpel an, wird aber selten so auf den Punkt gebracht wie hier.
Ähnlich ist es auch bei Martin „Atjazz“ Iveson, der nach einem eher durchschnittlichen Album nun wieder zum Frontalangriff übergeht. Sein Remix für Andre Zimmers „M.U.S.I.C.“ auf Swedish Brandy hat schon so manches DJ-Set eröffnet und damit gleich alles klar gemacht. Langes Intro, Stakkatoakkorde und „Em-ju-ess-ai-ssieeh“ als Befehlsruf stimmen ein, bis der Beat zuschlägt und einem den Boden unter den Füßen wegzieht. Funktioniert jedes Mal – versprochen. Ähnliche Euphorie versprüht der Atjazz-Remix für Poussez vs. Demarkus Lewis’ „Passin’Thru“ auf Tone Control, das schon jetzt in den persönlichen Top Ten des Jahres ist. Der Mann aus Derby geht hier ähnlich vor, gibt aber kurz der Sängerin Hannah Khemoh den Vortritt, bevor er charmant aber gezielt die Keule schwingt. Bei seinem Mix für Fred Everythings „Mercyless“ lässt es Atjazz etwas deeper anlaufen, aber nicht minder spektakulär. Wahlweise zurückgelehnter mit Gesang oder gleich im Dub auf den Floor treibend. Und wo wir gerade bei Remixes sind. Die vor allem durch ihre Neuinterpretationen zu Weltruhm gelangten Jazzanova lassen nun von Fremden Hand an ihre eigenen Songs legen. „I Can See“ mit der Stimme von Ben Westbeech wurde von Holy Ghost und Mark E bearbeitet, um den radiofreundlichen Song mit dem niedlichen, von Michel Gondry inspirierten Vpopeo clubtauglich zu machen. Die erste Auskoppelung aus der Abschlussarbeit zur Meisterprüfung „Let Me Show Ya“ wurde bereits von Henrik Schwarz bearbeitet, der neben DJ Hells „Angst“ nun auch das legendäre „Think Twice“ von Carl Craigs Innerzone Orchestra für den Mainfloor präpariert hat. Magische Momente werden hier beschrieben, die am Ende beweisen, dass Jazz im Club natürlich doch ein Plätzchen hat.

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