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ZOMBY Where Were U In ’92? (Werk Discs)

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Eigentlich müsste Where Were U In ’92? mit einem Warnaufkleber versehen werden, wie es bei HipHop-CDs mit expliziten Texten üblich ist. „Vorsicht, Suchtgefahr!“, so könnte der Hinweis in etwa lauten. Oder: „Achtung, kann extreme Euphorie-Zustände auslösen.“ Denn das offen erklärte Ziel dieser Platte ist es, den Rausch jener glorreichen Zeit wieder auferstehen zu lassen, als die britische Raveszene noch nicht in zahlreiche Subgenres aufgespalten war. Jene Zeit also, in der sich, glaubt man den Erzählungen der Älteren, in Großbritannien Zehntausende auf Feldern und in leer stehenden Fabrikhallen versammelten, um mit Leuchtstäben in der Hand und Trillerpfeifen im Mund die ganze Nacht durchzutanzen. Jene Zeit, als die Musik auf den Raves einfach „Hardcore“ genannt wurde und die Tänzer und DJs glaubten, dieser Sound werde niemals sterben.

Die Mittel, mit denen Zomby versucht, die euphorische Wirkung von UK-Hardcore nachzubilden, sind dabei die gleichen wie vor 16 Jahren: Auf Where Were You In ’92? wimmelt es nur so von vorwärts treibenden Amenbreaks, dröhnenden Bässen, Bleeps, Sirenen und Pianosamples. Und glaubt man dem Hinweis auf der CD-Hülle, dann wurde das Album auch mit der Studiotechnik von 1992 produziert: mit einem Akai S2000 Sampler und einem Atari-Rechner samt Cubase als Sequenzer. Bei allem Bemühen um die Authentizität der Klänge ist aus dem Album dennoch kein belangloses Nostalgieprojekt geworden. Vielmehr lässt der Endzwanziger Zomby, der sonst in London Dubstep produziert, den Stil so frisch klingen, als habe es ihn vorher nicht gegeben. Ihm gelingt das, indem er die Energie von Hardcore konserviert, ohne die musikalischen Entwicklungen der vergangenen zwanzig Jahre zu ignorieren.

So finden sich auf der CD Stücke wie „Pillz“, das im Prinzip die UK-Hardcore-Version eines Detroitbass-Tracks ist: Gesampelte Raps treffen auf eine gerade Bassdrum, Computerspiel-Sounds und zuckende Breakbeats. Die Zeitreise funktioniert hier andersherum: So ähnlich hätte es wohl geklungen, wenn 2 Bad Mice damals einen Remix für einen Track von DJ Assault aus der Zukunft angefertigt hätten. „Pillz“ ist nur ein Beispiel für den spielerischen Umgang Zombys mit seinem Ausgangsmaterial und mit der Musikgeschichte. Auch an anderen Stellen blitzen Referenzen an jüngere Stile wie Baltimore House oder Dubstep auf, die stark von UK-Hardcore und dessen Breakbeats beeinflusst worden sind. Zomby, der die Raves der frühen Neunziger selbst nicht miterlebt hat, weil er dafür zu jung war, erweist somit auch dadurch Hardcore seine Referenz, indem er aufzeigt, wohin die Reise nach 1992 gegangen ist. Und erfindet damit auf dieser CD den Stil so neu, wie er seiner Vorstellung nach heute klingen könnte. Dabei ignoriert er alle Regeln, ohne jemals den Respekt vor dem Original zu verlieren. Wenn dann das letzte Stück am Ende langsam ausgeblendet wird, hinterlässt es den Zuhörer wie ein guter Rave: verschwitzt, glücklich und mit einem großen Grinsen auf dem Gesicht.

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